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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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umfassende Wahlkapitulation, in der er u.a. die Reformierung der Kurie sowie die Berufung eines allgemeinen Konzils zugesagt. Da dies seine Macht als Papst jedoch geschmälert hätte, ließ er sich durch ein Gutachten philopapaler Kanonisten von seinem Eid entbinden und zwang die Kardinäle, teils unter Gewaltanwendung, eine stark abgeänderte Bullenausfertigung, die sie nicht einmal lesen durften, zu unterschreiben. Nur ein einziger Kardinal, Juan de Carvajal, blieb standhaft und verweigerte die Zustimmung. 27
    Der neue Herr war ein Durchschnittskopf, ein Förderer immerhin der Kunst, des Buchdrucks, ein Freund üppiger Gastmähler und Festlichkeiten; für seine Krönung zahlte die Apostolische Kammer mehr als 23000 Gulden. Der Papst war eitel, prachtgierig, wie seine Hauptresidenz zeigt, der große Summen verschlingende Palazzo S. Marco (heute Palazzo Venezia), zu dessen Errichtung er antike Denkmäler, sogar das Kolosseum plünderte, ja noch stehende Teile zerstören ließ. Und drei Verwandte ernannte er zu Kardinälen, Marco Barbo, Baptista Zeno und, später in der Engelsburg vergiftet, Giovanni Michiel.
    Die Massen gängelte Paul – noch heute ein beliebtes Mittel der Politik – mit Sport und Spielen, pflegte auch enorm den Karneval, die Ludi Romani, durch ihn »weltberühmt«; dabei trat die rituelle Judenverhöhnung in den Mittelpunkt, die die Verhöhnten auch noch mitbezahlen mußten. Bezeichnenderweise führte er nicht nur eine neue Steuer ein, die sogenannte quindemia, sondern dekretierte auch 1470, das finanzträchtige Heilige Jahr alle 25 Jahre zu begehen – für Ludwig von Pastor nur ein Beweis, »wie sehr Paul II. die Förderung des Seelenheils der ihm von Gott anvertrauten Gläubigen am Herzen lag ...«
    Den Wert seiner von Edelsteinen blitzenden Krone schätzte man auf 200000 Goldgulden; auf mehr den Schatz des Kardinals Scarampo (S. 228). Und als dieser bald nach dem Sieg seines Rivalen, angeblich aus Ärger darüber, starb und die Nepoten sich mit ihrem Reichtum, testamentarisch ihnen hinterlassen, auf und davon machten, ließ sie der Pontifex einfangen und ganze Ladungen von Gold und Preziosen in den Vatikan zurückbringen, um nach Lust und Laune darüber zu verfügen – geraubt war es allemal.
    Das Verhältnis zwischen Papst und Kardinalskollegium war seit dem gebrochenen Wahlvertrag belastet. Und weitere Feinde schuf sich Paul 1466 durch die Entlassung von siebzig Kanzlei-Abbreviatoren, hohen, eventuell der Käuflichkeit verfallenen Kurialbeamten, darunter häufig Humanisten, Gelehrte, Schriftsteller, die nun Arbeit und Brot verloren. Der Historiker Bartolomeo Platina, zeitweise Bibliothekar bei Kardinal Bessarion, 1475 auch Leiter der Vatikanischen Bibliothek, hatte dem Papst mit einem Allgemeinen Konzil gedroht, worauf ihn der »humanista Veneziano«, papa Paolo, vier Monate (nach anderen ein Jahr) in die Engelsburg werfen und foltern ließ.
    Überhaupt ging Paul II. – doch, von Freundesseite mehrfach bezeugt, auch Vater einer Tochter – oft in das Staatsgefängnis, vielleicht nicht nur um dort zu »inquirieren«, sondern weil er, angeblich schwul, es genoß, Männer nackt auf der Folter zu sehen. Platina aber rächte sich und schwärzte in seiner weitverbreiteten Papstgeschichte Pauls Bild auf Jahrhunderte. 28
    Schließlich verfolgte der Heilige Vater als erster Papst 1468 auch die römische Akademie (Accademia romana oder pomponiana), einen von dem bedeutenden Valla-Schüler Pomponius Laetus gegründeten und geleiteten Humanistenkreis, der sich anscheinend mehr für den antiken Paganismus als für das Christentum interessierte und Paul möglicherweise stürzen wollte, was sich aber nicht beweisen ließ. Doch wurden die Akademiker der Häresie bezichtigt, zeitweise in der Engelsburg eingekerkert, auch »peinlich befragt«, den Lehrern das Lesen altrömischer Dichter in den Schulen verboten und die Akademie (bis 1478) aufgehoben. 29
    Innenpolitisch kam es ständig zu Auseinandersetzungen mit Vasallen im Kirchenstaat, etwa mit der Familie Anguillara. Von kirchlichen Autoren gern als »Raubrittergeschlecht« vorgestellt (was der Adel, um wieder daran zu erinnern, gemeinhin war), hatte die Sippe einst in Rom die Kaiser Heinrich VI. und Heinrich VII. aufgenommen und Senator Orso dell'Anguillara 1341 Petrarca zum Dichter gekrönt, später aber vier Päpsten getrotzt. Jetzt nahm Paul II. dem Grafen Eversus von Anguillara dreizehn Felsenburgen, einem Verächter zwar des Papst- und Pfaffentums,

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