Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Begräbnisgebühren ein bis zum Wert einer Kuh.) Mittellose ließen manche Pfarrer mitleidlos verscharren. Andrerseits sollen selbst von Armen große Summen erpreßt und deren Tote nicht vor Erfüllung der Forderungen beerdigt worden sein. Schließlich verbot der Straßburger Magistrat 1286 den Bürgern den Sakramentenempfang in der Dominikanerkirche; ja, im nächsten Jahr mußten die Mönche wegen »Erbschleichern« an Pfingsten die Stadt verlassen. »Der verbissene Krieg dauerte bis zum Vorabend der Glaubensneuerung« (Pfleger).
In Italien war das nicht anders. Auch da tobte häufig zwischen Klöstern und Klerikern der schönste Priesterstreit, Streit um Kirchen, um Zehnten, um Prozessionen und Oblationen – plünderten etwa die Weltgeistlichen von Badagio den Besitz der Mönche von S. Victor in Mailand; entwendeten ebendort die Mönche von S. Ambrogio den Kanonikern von S. Ambrogio die Opfergaben und raubten die geistlichen Herren aus; fielen um die Mitte des 9. Jahrhunderts der Bischof Helibert von Como, der Erzbischof Guido von Mailand, der Bischof von Bologna u.a. über Männer- und Frauenklöster her und zerstörten sie; prozessierte im 10. Jahrhundert die Abtei Montecassino gegen den Bischof Landenulf von Lucera um Grundbesitz in Benevent; entzogen unter Alexander III. der Bischof und die Kanoniker von Fiesole dem Kloster Passignano seine Besitzungen und Rechte in Figline. Man könnte so fast endlos weiterfahren.
Nicht zuletzt aber balgte man sich auch im Land des Papstes immer wieder um die Einnahmen aus Sterbefällen. Die Gläubigen mußten den Beerdigungsplatz verbriefen, mußten als Käufer oder Pächter eines Grundstücks garantieren, Bewohner neu zu erbauender Häuser nur da und da begraben zu lassen. Pfarrkirchen rangen mit Klosterkirchen um »Kunden«, und fortwährend führte man Prozesse, die mitunter sogar bei Beerdigungen zu Handgreiflichkeiten gerieten. Im Hochmittelalter überfielen die Geistlichen der Pfarrkirche von Poggibonsi den Leichenzug einer Frau, die dort bei den Mönchen von S. Michele das Jüngste Gericht abwarten wollte; mit Steinen jagten die Priester die Mönche in die Flucht; schließlich mußte der Witwer die Tote allein nach S. Michele schleppen. In Figline stürzten sich die Kleriker von S. Segnore auf einen Trauerzug, erbrachen den Sarg und schafften die Leiche in ihr »Gotteshaus«.
Man raufte aber nicht nur um Leichen, sondern auch um schon Begrabene. Der Abt von Montescalari prozessierte mit dem Pfarrer von Cintoja um Gebeine, die er schließlich ausgraben und nach seinem Kloster überführen durfte. Der Rektor von Santa Maria Novella in Florenz stritt mit dem Prior von San Paolo und drang auf Herausgabe der Reste von drei Männern und fünf Frauen, worauf sein Gegner auf Rückerstattung anderer Toter insistierte. Blieben indes auch Leistungen und Wünsche – auf allen Ebenen – oft unvollständig und unbefriedigt, der Ausbeutungsmechanismus an sich war perfekt.
Von der religiösen Versorgung läßt sich das kaum sagen. Der Klerus war daran wenig interessiert, zum wenigsten der hohe, »denn die damit verbundenen Aufgaben wurden nicht selbst vollzogen, nur die Gebühren eingezogen; schlecht bezahlte Vikare sollten die Arbeit tun« (Kolmer):
Die Päpste halfen bei Erhebung des Servitiums mit strengsten Kirchenstrafen unerbittlich nach. So belegte der Heilige Stuhl am 5. Juli 1328 wegen unerfüllter Verbindlichkeiten nicht weniger als 36 Erzbischöfe und Bischöfe (darunter sieben deutsche) sowie 46 Äbte (darunter drei deutsche) mit Bann, Suspension und Interdikt. Nicht einmal der Tod des Schuldners konnte da retten – der Nachfolger mußte für ihn einspringen, den ausstehenden Rest berappen: Bischof Ademar von Metz außer seinem eigenen Servitium von 6000 Gulden noch für die beiden Vorgänger 8000 Gulden, und starb 1361, ohne sie beglichen zu haben; Bischof Friedrich von Hohenlohe (der greise, im Bamberger Dom so edel verewigte Haudegen) bei der Bistumsübernahme 1344 noch die Servitienschulden der vier Vorgänger, mehr als das Doppelte des eignen Debets. 25
Ähnlich stand es um die Vergabung der höheren und niederen Pfründen an der Kurie. Albert Hauck kennt kaum Aktenstücke, die schwerere Anklagen gegen die kirchliche Verwaltung erhöben, als die sogenannten Suppliken. »Sie führen den schlagenden Beweis dafür, daß bei der Verleihung geistlicher Stellen am päpstlichen Hofe sachliche Gesichtspunkte nicht in Betracht kamen.« Johann XXII. ließ sich allein
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