Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
zu deren Kommandanten er Bischof Giacopo Pesaro ernannte. 15
Indes, all diese Anstrengungen, wenn es denn welche waren, wurden nicht sehr ernst genommen.
Die Fürsten verspürten wenig Lust, hatten ihre eigenen Pläne, die allgemeine Opferfreudigkeit war stark reduziert. In Frankreich verweigerte ein Teil des Klerus offen die Zahlungen. Auch die ungarischen Prälaten hielten sich auffällig zurück. Und der seit Anfang 1502 Deutschland durchziehende Legat Peraudi fand bei Geistlichen wie Laien ein so geringes Kreuzzugsinteresse, daß er den Papst wiederholt um seine Rückberufung bat. Man mißtraute diesem, bezweifelte seinen eigenen Ernst für die Sache, machte sich auch Gedanken über den Verbleib der Gelder.
Fest steht: das Haus Borgia, ja, jedes einzelne seiner Kinder war Heiligkeit allemal wichtiger als der ganze Heilige Krieg. Paolo Capello, der venezianische Gesandte, notierte im September 1500: »Der Papst ist siebzig Jahre alt; er verjüngt sich mit jedem Tage; seine Sorgen dauern nicht eine Nacht; er ist von heiterem Temperament und tut nur, was ihn frommt; sein einziger Gedanke ist, seine Kinder groß zu machen, anderes kümmert ihn nicht.«
Fällt doch sogar für den Historiker der Päpste – dem das Urteil des Venezianers selbstverständlich zu weit geht –, durch Alexanders maßlosen Nepotismus, durch »die Sucht, das Haus Borja zu erhöhen«, auf die Türkenfrage ein tiefer Schatten. Und obgleich der für all seinen Schweiß nobilitierte Starverteidiger der Stellvertreter nichts unterläßt, um das vom Papst »für die Türkensache Geleistete« – gut gesagt – »nicht so unbedeutend« erscheinen zu lasssen, bleibt es selbst für ihn »freilich wahr, daß ungleich mehr hätte geschehen können, wenn Alexander VI. seiner nepotistischen Politik entsagt, weniger an die Erhöhung seines Cesare Borja gedacht hätte.« 16
Daran aber dachte der treu sorgende Vater immer und an wohl nichts sonst dachte er mehr. Schon gar nicht an jenen das Volk aufrüttelnden Revoluzzer aus Florenz, der ihm einige Jahre seines so lustvollen Lebens freilich ziemlich vergeblich sauer zu machen suchte.
Savonarola
Girolamo Savonarola, 1452 als Sproß einer angesehenen Familie in Ferrara geboren, wurde nach Abbruch eines Medizinstudiums und dem geplatzten Eheprojekt mit Laudomia Strozzi (frühe Liebeslyrik noch vorhanden), 1475 Dominikaner in Bologna, 1479 Novizenmeister in Ferrara und 1491 nach einstimmiger Wahl Prior des Konvents S. Marco in Florenz, dem Mittelpunkt der Renaissance. 1493 ernannte ihn Alexander VI. zum Generalvikar einer eigenen, aus dem lombardischen Provinzialverband herausgelösten toskanischen Reformkongregation, die an die einstige strengere Observanz, das ursprüngliche Ordensideal der Armut anknüpfte.
Savonarola, einer der wortgewaltigsten Prediger seines Jahrhunderts, dem auch Botticelli und Michelangelo oft lauschten, vertrat einen religiös-moralischen Rigorismus und ging dabei immer wieder von drei Sätzen aus: die Kirche werde schwer gezüchtigt, dann erneuert werden, und beides bald.
Selbst sittlich unantastbar, ein lebendiges Beispiel dessen, was er lehrte, verdammte er mit glühender Beredsamkeit und schrankenlosem Freimut die Verderbnis der Kirche seiner Zeit. Von der Domkanzel herab schmähte er sie »schamlose Hure«, »öffentliches Haus«, »Bordell«. »Du bist schlimmer als die Tiere, du bist ein Monstrum und eine Abscheulichkeit.« Er geißelte Klerus wie Laien, die Geistlichen seien »zu Büchern des Teufels« geworden und das Leben der Florentiner zu einer »Lebensart der Schweine«. 17
Der Dominikaner steckte nicht nur mit seinem Körper noch in der Mönchskutte, im Mittelalter, sondern auch mit seinem Kop f. Heiliger Zorn, Eitelkeit, eine gewisse mystische Schwärmerei und theatralische Überspanntheit durchdrangen sich in ihm. Er glaubte an seine Visionen und Auditionen, seine Gesichte und Stimmen. Er hielt sich für einen Propheten, ein mit Engeln verkehrendes Organ göttlicher Offenbarung.
Er wurde mit der Zeit immer schärfer, radikaler, wetterte immer wütender gegen Trunksucht, kurze Röcke, Karten- und Würfelspaß. Er empfahl, öffentliche Spieler zu foltern, Gotteslästerern die Zunge zu durchstechen. Er organisierte, so sagt er selbst, das »Fest der höheren Tollheit« (maggior pazzia), organisierte die »bruciamenti«, die Verbrennung der Eitelkeiten, der Faschingskostüme, Luxuskleider, Musikinstrumente. Auch »schlüpfrige und anstößige Bücher (libri
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