Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
und Klemens VII. toleriertes Etablissement, allerdings unter der Auflage, daß ein Viertel von Hab und Gut der dort tätigen Damen nach deren Tod die Nonnen von Sainte-Marie-Madeleine bekommen sollten. Auch hatte Julius seinerseits drei Töchter, dazu die Syphilis, die Zeitgenossen sprachen von Päderastie und Sodomie, ja von einem »großen Sodomiten«. Ranke attestiert ihm ganz generell »Unmäßigkeit und Ausschweifungen« – denn »auch er liebte die Wollust« (Theiner). Sein Leben war so lasterhaft gewesen wie »das der meisten Prälaten seiner Zeit« (Gregorovius), was auch, fast wörtlich gleich, von Pastor zugibt, sogar ohne die zeitliche Begrenzung. Natürlich: »als Papst lebte er anders«. 32
Überhaupt präsentiert der Historiker der Päpste seinen Helden als Inbegriff der Lauterkeit: im allgemeinen »eine gerade Natur von rücksichtsloser Offenheit«, »Verstellung widersprach der Natur Julius' II.« Und schrieb selbst doch nur wenige Zeilen zuvor, der Papst habe die »Künste der Staatsmänner nicht verschmäht«, habe »zuweilen Verstellung« geübt.
Wie sehr, zeigt gleich sein Verhalten zu Cesare Borgia.
Einst verkehrte er am französischen Königshof mit dem »duca Valentino« und vermittelte dessen Vermählung mit einer Prinzessin. Und noch vor kurzem hatte Cesare samt den spanischen Kardinälen die Papstwahl des Rovere gesichert und dieser ihm dafür die Bannerträgerschaft der Kirche versprochen sowie die Begünstigung seines Besitzes. Doch der Papst hielt sein Versprechen nicht. Er ließ Cesare verhaften und nach Rom bringen. Er haßte ihn, begreiflicherweise, mit aller Glut, doch er zeigte es ihm nicht, verhielt sich vielmehr freundlich, zuvorkommend. Es schien ihm unklug, »ein solches Werkzeug ungebraucht wegzuwerfen«, zumal er womöglich in der Romagna gegen das dort vordringende, viel gefährlichere Venedig, dem gegenüber er ebenfalls lavierte, noch zu verwenden war.
Der Borgia hatte immer noch Truppen in Rocca Soriana unter seinem Privathenker Don Micheletto Coreglia stehen. Auch gebot er über eine Reihe von romagnolischen Burgen, die der Papst wollte, aber nicht gewaltsam bekommen konnte. So heuchelte dieser Sympathie, ließ den Gefangenen Hoffnung schöpfen, ließ ihn auch im Vatikan wohnen, sogar mit einem Hofstaat. Er nannte Cesare, auf dessen Untergang er sann (freilich so, daß die Schuld nicht auf ihn, den Papst, fallen sollte), geliebter Sohn, wie das schon Pius III. getan, und wie dieser schrieb auch Julius Breven zu seinen Gunsten.
Natürlich erkannte Cesare sein riskantes Dasein in der Hand des Rovere. Er floh, wurde auf einer französischen Galeere in Ostia festgenommen, zurückgebracht, und nach abermaliger Flucht betrieb Julius erneut seine Verhaftung, die in verräterischer Weise, unter wiederholtem Wortbruch und vom Papst bejubelt, in Neapel erfolgte. 1504 nach Spanien überstellt, saß der Borgia zwei Jahre in einem kastilischen Kerker; vergebens intervenierte seine Schwester Lucrezia wiederholt bei König und Papst.
Im Herbst zwar brach er abermals aus, fiel jedoch jetzt in einer Fehde im Dienst seines Schwagers Jean d'Albret, Königs von Navarra, am 12. März 1507 im Alter von 31 Jahren. 33
Julius II. bekriegt Perugia und Bologna
Cesare war noch nicht ganz von der Bildfläche verschwunden, da wandte sich der Papst gegen Perugia und Bologna. Beabsichtigte er doch nichts Geringeres, als all das der Kirche zurückzugewinnen, was sein Vorgänger mit vollen Händen den Seinen, der Borgia-Dynastie, zugeschanzt. Und eroberte auch nun durch eine einzige Kette von Konspirationen und Gewaltsamkeiten, was dann in diesem Umfang bis 1870 bestand.
In Italien nannte man den Franziskaner Julius II. denn auch »Il terrible«, den Schrecklichen, was Pastor allerdings so – auch noch »wohl am besten« – verdeutscht: »ganz außerordentlich, gewaltig, großartig, überwältigend«. Der »feurige Greis«, ein »eiserner Mann«, wie ihn Pastor wieder rühmt, »der alle (!) Mittel für sein großes Ziel anwandte«, der sicherheitshalber stets Gift bei sich trug, lieber unter dem Helm als der Tiara auftrat, rückte auch bei Eis und Schnee ins sogenannte Feld, wie 1511 bei dem legendärem Winterkrieg um Mirandola. Er war natürlich, denn es hängt eng zusammen, auch Jäger, obwohl man Krieg wie Jagd den Geistlichen verboten hatte. Passioniert handhabte er einen Stock, mit dem er auch Michelangelo schlug, den er ebenso wie Bramante und Raffael beschäftigte, während er Lodovico
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