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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Ariosto, dem größten italienischen Dichter der Zeit, dem Vollender der italienischen Renaissanceliteratur, drohte, ihn wie einen Hund im Tiber ersäufen zu lassen – »ein dem Trunk ergebener und bösartiger Papst«, so Kaiser Maximilian.
    Als Oberbefehlshaber kontrollierte Julius die Truppen mit dem Schwert in der Faust, im Harnisch, obwohl der ihm anstand, höhnte seinerzeit der belgische Humanist Jean Lemaire, »wie einem gestiefelten Mönche das Tanzen«. Beinah täglich soll er die »heilige Messe« gehört, oft auch selbst zelebriert haben. Und fast in jedem Jahr seines Pontifikats führte er Krieg und wollte mit seinen Schlachten »den Donner überbieten«. Dreißig feste Plätze eroberte er dem heiligen Stuhl, Gründer einer Macht, »wie nie ein Papst sie besessen«, schreibt Ranke nicht ohne den Beiklang der Bewunderung, von der viele, zumal Kirchennahe, noch heute benommen zu sein scheinen.
    Zum einen aber bedenke man, daß die Päpste diesen Staat, der Italien länger als ein Jahrtausend in drei Teile zerriß und Konflikte ohne Ende schuf, doch einst bloß durch Krieg und Trug, die angebliche Konstantinische Schenkung, auf die sich auch Julius II. berief, in ihre besitzgierigen Finger bekamen (IV 13. Kap., bes. 377 ff.!), daß also die Rückeroberung nur auf einem Scheinrecht basierte, nur die Fortsetzung eines alten Unrechts war. Ganz zu schweigen davon, daß Julius den Kirchenstaat auch erweiterte, daß er Gebiete zu ihm schlug, die in keiner Hinsicht dazu gehörten: Modena, Reggio, Parma, Piacenza.
    Zum andern: Wie nimmt sich neben dem biblischen Jesus, neben dem Prediger der Nächsten-, der Feindesliebe, dem Verkünder des Verzichts auf Gegenwehr, Vergeltung, Selbstbehauptung, wie nimmt sich dagegen einer aus, der seine Soldateska zum Plündern, Rauben, Schlachten treibt? Der ihr selbst in Helm, Panzer, mit dem Schwert vorauszieht? Und auch noch vorgibt, Jünger Jesu zu sein, sein Stellvertreter! Ist es nicht absolut grauenhaft, grotesk?! Keine Karikatur etwa, nein, das Gegenteil. Kein Apostel, der Antipode. Kein Diener Gottes, der Teufel! Der Teufel in Person! »Den Kirchenstaat ... regierte Julius II. sehr gut« (Jesuit von Hertling).
    Überhaupt: so vorteilhaft für einen Teil der Klerisei, die Hierarchie, das Papsttum im besonderen, die militärischen Aktionen des »papa terribile« gewesen, so verheerend war die Fortdauer des Kirchenstaates für das italienische Volk und den Rest der Welt, eine immersprudelnde Quelle geistiger Tyrannei, sozialer Ausbeutung, blutiger Kriege. Und wenigstens die fortgesetzte Verblödung hätte uns das Gelingen der Borgia-Säkularisation vielleicht erspart. 34
    In Rom war es jetzt ruhig unter Julius. Kein Wunder. »Ein trefflich hart Regiment«, fand Luther, als er die Stadt besuchte. In Italien herrschte weithin Frieden – Florenz' Krieg gegen Pisa mal beiseite. Der Papst hatte drei Jahre lang Geld gehortet und gerüstet, bevor er im Sommer 1506 mit dem Gros der Kardinäle an der Spitze eines eher kleinen, aber schwer bewaffneten und durch sein wüstes Verhalten empörenden Heerhaufens gegen Perugia aufbrach, sein erster Feldzug; doch gab's von nun an bald so viel Waffenlärm und Krieg, wie man einmal schrieb, daß Mars selbst auf dem Heiligen Stuhl zu sitzen schien.
    Im Süden konnte Julius nicht expandieren. Dort stand Spanien. Also versuchte er es im Norden, unterwegs in voller Rüstung segnend, weiteres Kriegsvolk an sich ziehend, die hl. Messe zelebrierend. Dabei hatte er Glück. Der Signore von Perugia, Gianpaolo Baglioni, der zuvor an der Seite Cesares gekämpft, in der Nacht des 14. Juli 1500 einem furchtbaren Familienblutbad entkommen war, eh' er dann seinen Kopf in Rom verlor, gab jetzt Perugia preis, so daß die päpstliche Streitmacht im September 1506 alle Festungen der Stadt besetzte.
    Julius II. aber gewährte in Perugia, wo alle Glocken läuteten, einen Ablaß, verkündete, nichts sehnlicher zu wünschen als Frieden, natürlich um Konstantinopel, das Heilige Land befreien zu können – und kommandierte seine Streiter gegen das von den Bentivogli beherrschte Bologna. Doch einzig und allein die Verstärkung durch achttausend französische Soldaten ermöglichte am 11. November seinen erneut triumphalen, u.a. von Erasmus von Rotterdam bestaunten Einzug in die Stadt, die zweitgrößte des Kirchenstaates, die reichste und schönste neben Rom: Priester und waffenstrotzende Haudegen, Standarten, das allerheiligste Sakrament, Kanonendonner und

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