Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
besonders von großen, wie bei der Vollendung des Freiburger Münsters, wozu man Arbeiter zu unentgeltlicher Dienstleistung selbst aus fernen Gegenden bekam. Ebenso gab es die begehrten Gnaden für das Sand- und Steineschleppen beim Klosterbau. Oder für Mithilfe – selbst an Sonn-und Feiertagen – bei Festungsbauten. Und 1503 konnte man im Herzogtum Braunschweig einen Ablaß von 100 Tagen sogar bei ganz profanen Straßenarbeiten erwerben.
Ablässe spendierten Päpste oder Bischöfe bald mit vollen Händen und für alles mögliche.
Zum Beispiel für die Beteiligung an einer Prozession in Venedig mit öffentlicher Geißelung. Oder für das ehrfurchtsvolle Aussprechen der Namen Jesu und Mariä. 1514 gewährte die Lateransynode einen Ablaß von zehn Jahren allen Denunzianten und Richtern von Gotteslästerern. 1287 verliehen deutsche Bischöfe einen Ablaß allen, die die Karmeliter (Träger eines neuen weißen Habits) nicht »die weißen Brüder« nannten, sondern nach wie vor »Frauenbrüder« (nichts Unzüchtiges war damit gemeint, wie man meinen könnte, hieß es doch damals, ein geflügeltes Wort, er hurt wie ein Karmeliter, sondern die heilige Jungfrau, die sie besonders verehrten).
Es gab Ablässe für solche, die Sünden vergessen hatten oder ihre Bußen, gab Ablässe für Gelübdebrecher, Meineidige, für Diebe und Räuber (retentio rei alienae). Es gab Ablässe für Mütter, die im Schlaf ihr Kind erdrückt, für Gläubige, die zu einem neuen Meßbuch beigesteuert oder es gekauft hatten. Bischof Rudolf von Würzburg gewährte dafür 1481 einen Ablaß von 40 Tagen, ein etwas kärglicher Nutzen. 9 (Allen Käufern dieser Kriminalgeschichte gewähre ich 40000 Jahre!)
Die Leipziger Schützenbrüder, die 1482 »aus hitziger Liebe und Begier bewegt, das Lob und den Dienst Gottes zu mehren«, der Pfarrkirche St. Nikolai 500 rheinische Goldgulden gestiftet, erhielten ebenso einen Ablaß wie die »Schwestern« der oberelsässischen Büchsen- und Armbrustschützenbruderschaft des Städtchens Rufach, falls sie »wahrlich gereuet und gebeichtet erscheinen und ihr heiliges Almosen dazu geben, sooft und dick sie das tun«.
Schön gesagt.
Am dicksten kam es vielleicht, seit man Ablässe auch für Tote anbot, die sozusagen geschäftsfähig machte. Tote waren, sind ja, nach christlichem Glauben, nicht tot, sind entweder, meistens, in der Hölle, oder, seltener, im Himmel; jedenfalls war da wie dort für sie auf ewige Zeiten gesorgt. Aber – es gab noch das Fegfeuer, wo die Armen Seelen, wer weiß wie lang, sühnten für alle Schuld aus trüben Erdentagen, und ihnen konnte, durfte, mußte man beispringen.
Schon im 13. Jahrhundert verbreitete der Klerus das Unglaublichste über Indulgenzen für Verstorbene.
Da berichtet ein englischer Franziskaner in einem Beispielbuch zum Gebrauch der Prediger vom Ablaßkauf eines Mannes für seinen jüngst verstorbenen Sohn. Er zahlt viel Geld, doch erscheint ihm der Sohn gleich in der Nacht darauf in strahlendem Glanz und verkündet: »Durch die Ablässe, die du für mich gekauft, wurde ich aus dem Fegfeuer befreit und fahre nun gen Himmel.«
Viele folgten ihm. Und als wahrer Segen für die Armen Seelen erwies sich wieder einmal Rom. Der Nürnberger Ratsherr Nikolaus Muffel, der sich 1455 in der heiligen Stadt »mit allem Fleiß« um das wunderbare Phänomen gekümmert, nennt bereits mehr als 15 Kirchen und Stätten, wo man im Fegfeuer Schmachtende retten konnte. Von der Kapelle der hl. Praxedis meldet er: »so man fünf Messen für eine Seele in der Kapelle liest, die wird erledigt von allen Peinen. Des hat man Urkund und Zeichen, die da geschehen sind.« Kein Wunder, wenn nun zahlreiche Pilger die kostspielige Romfahrt gerade zum Trost der Armen Seelen unternahmen. 10
Natürlich konnte nicht jeder nach Rom reisen und dort wie Martin Luther 1510/1511 als »ein toller Heiliger« durch alle Kirchen, alle Krypten laufen, alles glauben, »was daselbst erlogen und erstunken ist« und ernsthaft bedauern, »daß mein Vater und meine Mutter noch lebten, denn ich hätte sie gern aus dem Fegfeuer erlöst mit meinen Messen ...« Nein, nur Auserwählten waren Rombesuche vergönnt, und so gewährte Mutter Kirche in nimmermüder Sorge für das Seelenheil die großen Gnade auch anderwärts. Den Dominikanerinnen von Kirchheim in Württemberg verkaufte der 1493 für seine Verdienste zum Kardinal ernannte Ablaßkommissär Peraudi fünf Ablaßbriefe, »die kosteten mehr denn 10 Gulden; aber wir gaben
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