Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Werklein verfaßt »Daß weltliche Oberkeit den Wiedertäufern mit leiblicher Strafe zu wehre schuldig sei, Etlicher Bedenken zu Wittenberg«. Eine eigene Schrift gegen die Hexen schrieb er nie. Und doch haben sie ihn wesentlich mehr und länger beschäftigt, sein ganzes Leben. 25
Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und Hexen
Noch mehr als mit andren Anschauungen steckt der Reformator mit seinen Glauben an die Existenz von Zauberern und Hexen tief im Mittelalter, ja noch in früh- und vorchristlicher Zeit (vgl. S. 297 ff.). Und dieser krude magische Komplex hängt natürlich unverkennbar und untrennbar mit einem irren Teufelswahn zusammen, einer primitiven Idée fixe, die an der Schwelle der Neuzeit kaum einer mehr gefördert hat als Martin Luther.
Wie der spätmittelalterliche Mensch im allgemeinen wächst auch er in einer Welt auf, die vom Glauben an Gott und Teufel erfüllt war, zumindest haben wir keinen anderweitigen Hinweis. Die Eltern sind fromm, doch nicht besonders kirchlich »und teilen allen Aberglauben der Zeit, vor allem einen auch bei Luther stark ausgeprägten Teufelsglauben« (A. van Dülmen). Er hatte, schreibt Jean Delumeau, »immer eine außerordentliche Angst vor dem Teufel«, war er doch »in der Angst vor Teufeln und Hexen erzogen worden«. Wie er denn dann – was für ein verräterischer christlicher Zungenschlag – dringend selbst empfiehlt: »Die Kinder soll man die Teufelsgefahren in frühem Alter fürchten lehren.« 26
Der junge Luther muß nicht mehr von Gespensterangst berührt gewesen sein als andere Kinder auch; sonderbare atmosphärische Vorgänge, zwielichtige Erscheinungen am Himmel und auf Erden, eigenartige Wind- und Wassergeräusche, ein Fluidum des Ungewissen, Irritierenden, Bedrohlichen, das alles korrelierte mit Magie, mit Zauberei und Hexerei, die Welt war von Geistern durchwaltet, keinesfalls von bösen nur, doch eine besondere Rolle spielte darin fraglos der Teufel.
Nun ist Luther bald gelehrt und aufgeklärt und glaubt nicht mehr an jeden Spuk. Früher, meint er, habe man die Welt voller Rumpel- und Poltergeister gewähnt, die man für die Seelen Verstorbener hielt; heute, schreibt er 1525, wisse man durch das Evangelium, »daß es nicht Menschenseelen, sondern eitel böse Teufel sind«.
Der Teufel, lehrt er 1529, bewohne die Wälder, die Büsche, Gewässer »und schleicht sich überall an uns heran, um uns zu verderben«. Luther warnt besonders vor dem »Baden im kalten Wasser«. Und im Wasser treiben nicht nur die männlichen Teufel ihr Unwesen, sondern auch die Nixen, »die die Kinder am Rande des Wassers ins Wasser reizen und ersäufen; das sind alles Teufel«. Und natürlich huren sie da auf Teufelkommraus oder -kommrein. Denn »etliche Mägde reißet der Teufel oftmals ins Wasser, schwängert sie und behält sie bei ihm, bis sie des Kindes genesen«. Danach vertauscht er die Kinder in den Wiegen mit den Teufelskindern. 27
Teufel stecken auch »in den schwarzen dichten Wolken, die machen Wetter, Hagel, Blitz und Donner und vergiften die Luft, Weide etc.«, also solle man das nicht aus natürlichen Ursachen erklären. Teufel ferner in den Affen, Meerkatzen, Papageien, weshalb sie die Menschen so gut nachahmen können. Teufel natürlich auch unter der Erde. Und Teufel nicht zuletzt in den feuchten, schlammigen Gegenden Sachsens. Ja, hier glaubt der Reformator alle Teufel versammelt, »die Christus zu Jerusalem und Juda in die Schweine ausgetrieben hat« und vermutet gar, daß just dieser vielen Teufel wegen gerade in Sachsen auch »das Evangelium gepredigt werden mußte«!
Die ganze Erde ist ein »Teufelsreich«. Der Teufel »regiert und herrscht in aller Welt«, er »masset sich gottlicher maiestat an«, ist »ein Fürst und Gott« hienieden und hält alles in der Hand »wovon wir leben: Essen, Trinken, Kleider, Luft etc.«
Luther hat »erfahren, daß Geister umbhergehen«, »ich habe Geister gesehen!« Der Teufel erscheint in verschiedenen Verwandlungen, als Bock beispielsweise, häufiger als Hund, als Katze, Fuchs u.a. In Gestalt eines Kalbes vertreibt ihn Luther selbst von einer Kranken, wenn auch nur für eine Nacht. Und bei einer kranken Jungfrau zu Wittenberg sieht er ihn wieder mit eigenen Augen, diesmal gar in Gestalt Christi, worauf er sich allerdings in eine Schlange verwandelt, »die der Jungfrau bis aufs Blut ins Ohr biß«.
Wir verweilen noch etwas bei dieser Materie, kann es doch nicht schaden zu wissen, von wem sich die Welt belehren,
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