Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
übrigen muß je ein Pfennig erlegt werden. An St. Dionys folgt ein neuer Zins, dann einer für das Recht, die Felder einzuzäunen. Zu Beginn des Winters müssen wir das Herrenland bestellen, an St. Andreas ist eine Küchengabe, zu Weihnachten sind Hühner fällig, und so geht es weiter. An Ostern müssen wir Hammel abliefern, und auf die Holzfällung folgt die Saatfron.« 10
Außer dem Tötungsrecht stand dem Grundherrn, zumal wenn er im Besitz der Gerichtsgewalt war, über seine Hörigen fast alles zu. Er durfte ihnen nach Belieben nicht nur Arbeiten und Lasten auferlegen, durfte sie nicht nur weidlich schlagen, zur Verehelichung zwingen oder verkaufen. Er konnte ihnen auch von ihren Erwerbungen die Hälfte oder zwei Drittel abnehmen, ja die volle Erbschaft nach der »toten Hand« (main-morte) – ein Ausdruck, der angeblich daher kommt, daß man dem Grundherrn mit der abgeschnittenen Hand des Toten auch dessen Nachlaß übergab. All die Hörigen Hände sollen dann – welch erlesener Geschmack der Zeit! – zusammen mit Bärentatzen und sonstigen Tiertrophäen an die Turmmauern genagelt worden sein.
Die Frau, vom Klerus durch das ganze Heilsgeschehen (in meiner Sexualgeschichte eingehend belegt) scheußlich herabgesetzt, ohne Gottesebenbildlichkeit, laut Augustinus, ein Mißgriff der Natur, »ein verfehltes Männchen« (mas occasionatus), nach Thomas von Aquin, die unfreie Frau wird teils in den aufreibenden Arbeitsprozessen des Mannes, teils in eigenen Tätigkeitsbereichen verbraucht.
Früh verheiratet und meist schon strapaziert durch viele Kinder, die allerdings aus Not, durch Hygienedefizite oft, auch früh hinwegsterben, wie sie selbst, oblag ihr nicht nur die Hauswirtschaft, sondern auch Spinnen, Weben, Brotbacken, die Butter- und Käsezubereitung, das Bierbrauen, Viehfüttern, die Getreidemahd, jedenfalls solang sie mit der Sichel geschah und noch nicht, wie seit dem späteren Mittelalter, mit der Sense.
Die unfreie Ehefrau genoß im übrigen, wie die freie, eine geringere Rechtsstellung als der Mann. Sie unterstand seiner Muntgewalt, seinem Züchtigungsrecht. War doch das Peitschen der Gattin, das Verhauen jeder katholischen Ehefrau, ihrem Mann durch das Corpus Juris Canonici, das Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche, kanonisch verbrieft – bis 1918! (Ebenso, beiläufig, ihr Fastenlassen, Binden und Einsperren.) 11
Im Frühmittelalter schufteten leibeigene christliche Frauen und Mädchen sogar in eigenen Häusern, in Gynäceen. Nahe bei Fronhöfen gelegen, gingen sie da dem Spinnen und Weben, der Tuchproduktion nach, ja fast jeder Arbeit, vom Waschen bis zum Getreidemahlen, von der Schafschur bis zum Stallreinigen. Auspeitschen war alltäglich. Nach der »Lex Salica«, im 6. Jahrhundert von Mönchen aufgezeichnet und unter den Stammesrechtssammlungen von besonders nachhaltiger Wirkung, schwankten die Schläge für eine »ancilla« zwischen 120 und 240.
In seinem um 1202 geschriebenen »Iwein« brandmarkt Hartmann von Aue, der erste der drei großen Epiker der Stauferzeit, die Ausbeutung dieser Arbeiterinnen, die er klagen läßt: »Von unserem Verdienst sind sie (sc. die Herren) reich geworden, und wir leben aufs dürftigste.« Der Dichter behauptet, die Frauen bekämen von einem Pfund (240 Pfennige), das ihr Arbeitgeber auf dem Markt für ihre Produkte erzielt, vier Pfennige.
Die christkatholischen Gynäceen, die auch von den Klöstern (in Staffelsee etwa) und von Kirchen unterhalten und im Hochmittelalter durch das städtische Textilgewerbe abgelöst wurden, dienten aber jahrhundertelang ihren Besitzern und deren Gästen auch als Harem, als privater Puff und waren die Vorläufer des kasernierten Bordellwesens. 12
Hungersnöte: Menschen getötet und in Salz gelegt
Zum fortgesetzten Ausnützen, Schröpfen, zur ständigen Bedrückung durch die Herrenschicht – die Bischöfe selbstredend eingeschlossen, die »Väter der Armen«, die zumal in Notzeiten gelegentlich Hundemeuten auf die Bettler hetzten – kam das Elend durch Naturkatastrophen; durch Unwetter, Überschwemmungen, Mißernten, Seuchen, Wurmplagen, Dürren, harte Winter; immer wieder auch durch all dies bedingte Hungersnöte, und gerade in den »größten« Geschichtsepochen, unter Karl »dem Großen« (der bereits die Kleidung der hörigen Bauern reglementierte), wobei 784 ein Drittel der Bevölkerung Galliens und Germaniens hinwegstarb, die Armen sich von Farn ernährten, Gras und von ihresgleichen, Brüder ihre Brüder aßen,
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