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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Massenmord in Alexandria

    Schon die Anstrengungen seiner Vorgänger um einen Kreuzzug, diesen immer wieder geplanten, immer wieder begehrten großen Kampf, waren gescheitert. Und Urban, auf dessen »tiefer persönlicher Frömmigkeit« das Lexikon für Theologie und Kirche insistiert, drang vom Beginn seiner Amtszeit an bei den abendländischen Herrschern auf einen solchen Krieg; freilich, man hatte genug davon. 7
    Dabei tat Urban vieles für sein hehres Ziel, suchte er Frieden, Frieden überall, Frieden im Hundertjährigen Krieg wie Frieden im partikularistisch zerrissenen Italien. Kam er ja selbst Bernabò Visconti, der 1359 Bologna, inzwischen von der Kirche vereinnahmt, zurückzuerobern begann, entgegen. Und hatte noch 1363 gegen ihn Gift und Galle gespuckt, Flüche und Verdammungen geschleudert, die Exkommunikation ausgesprochen, das Kreuz gepredigt. Doch plötzlich begann der »weltfremde Mönch« hinter dem Rücken seines Feldherrn Geheimverhandlungen mit dem verhaßten Geschlecht, löste er Kardinal Albornoz ab durch seinen Gegner Kardinal Androin de la Roche. Er schloß Frieden mit dem bisherigen Feind und zahlte ihm riesige Summen für die Räumung Bolognas – aber nicht aus Friedenssehnsucht, nein, in Erwartung eines großen, eines größeren Krieges. 8
    Im lateinischen Osten operierte damals Peter I. von Lusignan (1358–1369) in abenteuerlichen Aggressionen gegen die Türken, Christliches und Geschäftliches verbindend. Der König von Zypern, von Jerusalem, schließlich auch von Armenien geriet dabei mit dem Mamlukensultan von Ägypten in Konflikt. Jahrelang, von 1361/1362 bis 1365, zog er darauf zwischen England und Venedig, Frankreich und Polen durch Europa, sammelte Geld und propagierte seinen Krieg (schließlich waren die Lusignan schon seit Urban II., seit 1096, auf den Kreuzzügen präsent).
    Also rief Urban V., politisch ohnedies im Orient ambitioniert, im April 1363 einen neuen Kreuzzug gegen die Türken aus, wobei er auch hoffte, ein frommer Wunschtraum, die durch den Frieden in Oberitalien freiwerdenden Söldner banden als »Kreuzritter« gegen die »Ungläubigen« werfen zu können.
    Ein vereinigtes Europa!
    Wie mancher Stratege wünschte es schon. Bereits unter dem hl. Kaiser Karl gab es einen schönen Ansatz dazu und mehr als das. Immer wieder hegte man auch im Spätmittelalter Kreuzzugsprojekte, für Friedrich Heer de facto politische Vorhaben einer militärischen Förderation Europas, Vorschläge gleichsam für dessen nahezu radikalen Umbau. Der bedeutende österreichische Historiker sieht darin – im Jahre 1969 – »Vorstufen der Entente von 1914, des Völkerbundes, der UNO und der NATO ... Der gemeinsame Grundgedanke ist: Die Nationen (West-)Europas sollen militärisch und politisch unifiziert werden und nach innen eine Friedensgemeinschaft bilden, um nach außen gegen die ›Ungläubigen‹, die ›Friedensbrecher‹, die ›Nichtdemokraten‹ einen ständigen Abwehrkampf führen zu können.«
    Einen Abwehrkampf? Deutet denn zu Beginn des dritten Jahrtausends christlicher Katastrophenrechnung nicht alles eher auf eine Serie der verwegensten Offensiven, Überfälle und Raubzüge allein rechtgläubiger Gottesstreiter hin, selbsternannter Krieger für das »Gute« gegen das »Böse«, im Grunde gar nicht so verschieden von ehedem, das heute unvergleichlich gefährlichere Risiko mal beiseite? 9
    Im Sommer 1365 stach Peter von Lusignan mit einhundertfünfundsechzig Schiffen von Venedig aus in See – die größte Expedition seit dem Dritten Kreuzzug (VI 11. Kap.). Und das »erfolgreichste« derartige Unterfangen des ganzen Jahrhunderts.
    Begleiter des Königs: der Kanzler Philippe de Mézières, seit langem in militärischen Diensten und gleichfalls ein Propagandist des Heiligen Krieges, sowie dessen Freund Peter de Thomas (Pierre Thomasius), Titularpatriarch von Konstantinopel, apostolischer Legat für den Kreuzzug und gleichermaßen »durch Heiligkeit des Wandels, wie durch Rednergabe und Geschäftsgewandtheit ausgezeichnet« (Kardinal Hergenröther), in der Tat – ein Heiliger; Fest 15. Februar. (Der für dieses Amt ursprünglich vorgesehene Kardinal Elie de Talleyrand (S. 61), der bereits, gemeinsam mit dem französischen Regenten Philipp VI., 1336 das Kreuz genommen, war 1364 verstorben.) Nur König Peter und seine zwei Hauptberater kannten das streng geheimgehaltene Ziel, alle übrigen erfuhren es, um jedem Verrat vorzubeugen, erst auf hoher See.
    Am 9. Oktober 1365 sichtete man

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