Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Reichstagen zu Nürnberg und Metz die Goldene Bulle durch, nach K. Hampe das »umfassendste und am genauesten durchdachte und am sorgfältigsten redigierte Gesetzeswerk des gesamten deutschen Mittelalters«. Die Goldene Bulle regelte erstmals und endgültig reichsrechtlich für Jahrhunderte, bis zum Ende des alten Reiches, das Recht der Königswahl, das sie dem siebenköpfigen Kurfürstenkolleg übertrug; drei geistlichen und vier weltlichen Herren, den Erzbischöfen von Mainz, Köln, Trier, dem König von Böhmen, dem Pfalzgrafen bei Rhein sowie den Herzögen von Sachsen und Brandenburg. Doch das Bestätigungsrecht des Papstes wird hier überhaupt nicht erwähnt, wird mit voller Absicht totgeschwiegen; somit hatte er auch kein Recht, während einer Thronvakanz Reichsverweser zu sein. Innozenz nahm dies, entgegen anderslautenden Behauptungen, ohne jeden Protest hin. 5
Bereits bei seiner ersten Romfahrt hatte sich Karl IV. kaum in die inneren Verhältnisse Italiens, die miteinander ringenden Machtgruppen gemischt, dafür aber, manche Zumutung, manche Häme schluckend, seine Ziele erreicht, auch allerlei rückständige Leistungen, Tausende, Hunderttausende von Gulden kassiert, freilich einmal, das gehörte zum Geschäft, auch sieben Anführer eines Aufstandes öffentlich köpfen lassen. Und im Prinzip ganz ähnlich verhielt es sich bei seiner zweiten Romfahrt. Wieder nahm er, virtuos zwischen den Parteien manövrierend, das Land aus, strich Steuern, Strafgelder, Geschenke ein. Wieder mischte er sich kaum ins Kriegsgeschehen der Lombardei, der Toskana; so manche Hoffnung des Heiligen Vaters blieb unerfüllt. Und da ihn auch die (französischen) Kardinäle, enttäuscht vom italienischen »Exil«, von der »Wüste Babylons«, süchtig nach dem Pomp des Hofes in Avignon, immerzu bedrängten, reiste er im September 1370 wieder dorthin, worauf man noch einmal sieben Jahre in Frankreich residierte. Natürlich hatte Urban, laut Selbsteinschätzung, kein banaler politischer Grund oder der Druck der Kardinäle zurückgebracht, sondern »Sanctus Spiritus«, der Heilige Geist, der ihn auch hergeführt, wie er vor seiner Abfahrt erklärte, alles »ad honorem Sancte Ecclesie«, zur Ehre der heiligen Kirche.
Das Unternehmen war ebenso mißglückt wie seine sogenannte Kirchenunion, die Wiedervereinigung von Ost und West.
Zwar unterwarf sich ihm der byzantinische Kaiser Johannes V. Palaiologos, bedroht durch dauernde Bürgerkriege, durch Gegenkaiser (Sohn und Enkel), vehemente Religionsquerelen (Hesychasmus), nicht zuletzt durch die türkische Gefahr, den »übermüthigen Halbmond« (Kardinal Hergenröther), der am 2. März 1354 Gallipolis gewonnen hatte, den ersten festen Brückenkopf in Europa.
Auf den Stufen von St. Peter kniete der Kaiser im Oktober 1369 dreimal vor dem Hohenpriester nieder, küßte ihm Fuß, Hand, Wange und wurde persönlich – aus purer Verzweiflung am Schicksal seines Reiches – katholisch. Am 18. Oktober 1369 unterschrieb er ein entsprechendes Glaubensbekenntnis – und mußte noch im Januar nächsten Jahres nachträglich versichern, mit der »katholischen Kirche« die römische gemeint zu haben; wurde auch auf der Rückreise wochenlang in Venedig im Schuldturm festgehalten und schließlich zu einem tributpflichtigen Vasallen des Osmanenherrschers Sultan Murad I. erniedrigt, dem er Heeresdienst zu leisten hatte.
Kein byzantinischer Kleriker aber war bei des Kaisers Kapitulation zugegen, keiner konvertierte, und Urban schmeichelte sich vergebens, Stifter der Kirchenunion zu sein. Dabei hatte er am 6. November nicht weniger als 23 Bullen mit entsprechenden Mahnungen an Griechen wie Lateiner geschickt, allerdings ohne jedes Hilfsangebot für die griechische Hauptstadt. Und als er zu Beginn des Jahres 1370 den Westen zur Befreiung des jetzt katholischen Monarchen von Byzanz und seines Reiches aufrief, da folgte ihm auch im Westen niemand, kein einziger Lateiner kam. Im übrigen freilich versprachen die Päpste den Griechisch-Orthodoxen oft Hilfe, ohne aber je nennenswerte zu leisten. Sie hielten diese Kirche nicht nur für schismatisch, sondern für häretisch, »für in allem minderwertig« (de Vries), und stellten sich eine Union kaum anders denn als Angleichung, als Unterwerfung vor. 6
Auch ein Abenteuer Urbans, den eine Mainzer Chronik »Licht der Welt« (lux mundi) nennt, ist nur scheinbar geglückt und wurde das blutigste, der Kreuzzug gegen die Türken.
» ... ein glücklicher Handstreich«
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