Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
wenn schon Urban V., dann allemal erst recht Urban II. Die Heiligsprechung beider steht noch aus. 11
Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere »Ketzer«
Nach dem Tod Urbans wurde der neue Papst, der 42jährige Kardinal Pierre Roger de Beaufort, der sich Gregor XI. nannte, in nur zwei Tagen einmütig zum Nachfolger gewählt. Der 1329 zu Rosiers-d'Egletons (dép. Corrèze) als Sohn des Grafen Guillaume de Beaufort Geborene machte wieder schnell Karriere. Mit elf Jahren wurde er Kanonikus von Rodez und Paris, mit neunzehn Jahren, nach manchen mit achtzehn, siebzehn schon, durch seinen nepotistischen Onkel Clemens VI. Kardinal und auch gleich mit vielen Benefizien begabt. Und unter den 21 von ihm ernannten Purpurträgern befanden sich, durchaus typisch, 16 engere Landsleute oder doch Franzosen, nicht zuletzt seine Verwandten. (Insgesamt kreierten die avignonesischen Päpste von 1305 bis 1375113 Franzosen zu Kardinälen, 14 Italiener, 5 Spanier und 2 Engländer.)
Nach jahrzehntelanger Beschäftigung an der Kurie in Avignon setzte Gregor, von dem man ein langes und »gesegnetes« Pontifikat erhoffte, vieles seiner Vorgänger einfach fort.
Natürlich gehörte dazu wieder die »Ketzer«-Jagd, das »von ihm veranlaßte scharfe Vorgehen der Inquisition« (Seppelt). Der nach seinen Apologeten fromme, gütige, sanftmütige, demütige Papst ernannte am 23. Juli 1372 für die Bistümer Köln, Mainz, Utrecht, Salzburg, Magdeburg fünf Dominikaner zu Inquisitoren und verbot jedwede Behinderung derselben durch die Fürsten. Der Orden hatte sich in Deutschland bewährt, Kaiser Karl IV. 1369 über das wieder »gesegnete« Wirken des Dominikaner-Inquisitors Kerling, der etwa in Nordhausen sieben »Ketzer« verbrennen ließ, seine hohe Freude bekundet und befohlen, die Häuser der Häretiker in Inquisitionskerker umzuwandeln. Gregor erteilte ihm dafür in einer Bulle vom Juni 1371, also wenige Monate nach seinem Amtsantritt, höchstes Lob.
Auch in Frankreich, so berichten Annalen zum Jahr 1373, habe der Papst gegen die »Ketzer« die Sichel der apostolischen Strenge geschwungen und mit »frommem Eifer« die »Kräfte zur Ausrottung dieses Unheils« angestachelt. Der von ihm entsandte Franziskaner-Inquisitor Lorelli, »unser geliebter Sohn«, soll in den Alpentälern Savoyens und der Dauphiné die Waldenser »zu Hunderten« getötet, in Grenoble an einem einzigen Tag 150 Menschen zu Asche gemacht haben. 12
Als erster Papst wandte sich Gregor XI. gegen den englischen Philosophen und Theologen John Wyclif, wohl der schärfste Kirchenkritiker seines Jahrhunderts. Um 1330 in der Nähe von York geboren, dann an der Universität Oxford tätig, wurde der »greatest heresiarch of the later Middle Ages« von britischen Protestanten noch im 16. Jahrhundert als »Morgenstern der Reformation« gefeiert. In der Tat wirkte er weit, schon früh auf Böhmen (wo sich mehr seiner Handschriften befinden als in England), wirkte er nicht zuletzt auf Luthers Vorläufer Jan Hus, der Wyclifs Werk in seinen Universitätsschriften verteidigt und lange Passagen daraus zitiert, während der Prager Erzbischof die Bücher des Radikalreformers zu verbrennen befiehlt (S. 192 f.)
John Wyclif, der schon früh die offizielle Kirche »Religion der fetten Kühe« schimpft, wird mit zunehmender Einsicht, gleich manchem Kirchenwidersacher, immer radikaler. »Wenn es hundert Päpste gäbe«, lehrte er, »und alle Bettelmönche Kardinäle würden, man dürfte ihnen in Glaubenssachen doch nur insoweit beipflichten, als sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmen.«
Gestützt auf die Bibel, der allein er höchste Autorität zuerkennt, die er auch ins Englische übersetzen läßt, und getragen von der Zustimmung des Hofes, des Adels, des Bürgertums, brandmarkt der »Doctor evangelicus« die ungeheuere Verweltlichung des Klerus, seine Machtsucht, Habgier, chaotische Verwaltung, den Niedergang des Mönchtums; er bekämpft die meisten Sakramente, die Lehre vom Fegefeuer, von der Unfehlbarkeit des Papstes, der für ihn kein Nachfolger Petri, sondern Konstantins ist, das heißt der wahre Antichrist. Wyclif erklärt das Zölibat für unbiblisch, dito die Priesterweihe, die Ordensregeln, Ohrenbeichte, die Heiligen- und Reliquienverehrung, das Wallfahren und Ablaßwesen. Er fordert die Auflösung des Kirchenbesitzes, die Enteignung der Klöster, die Besteuerung der Geistlichen, er verwirft Krieg und Gewalt. Kurz, leidenschaftlich propagiert er die Rückkehr zu den Idealen der
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