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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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das Opfer, landete am folgenden Tag und überfiel, so schreibt der katholische Papsthistoriker Kühner, »mit einem Heer von Marodeuren das ahnungslose Alexandria, wo beispiellose Mordorgien verübt wurden, obwohl das Sultanat der ägyptischen Mameluken seit langem in Frieden mit den Christen lebte und nie etwas gegen das Königreich Zypern unternommen hatte. Die Kultur Alexandrias ging zugrunde wie hundertsechzig Jahre zuvor die Kultur von Konstantinopel. König und Legat sahen ungerührt zu, wie mit dem unermesslichen Plündergut auch weit über fünftausend Christen, Juden, Moslems verschleppt und als Sklaven verkauft wurden. Papst und Abendland ignorierten diese Untaten, der Papst äußerte sich sogar triumphierend.«
    Kein Wunder. »Er stand im Rufe der Heiligkeit« (Kardinal Hergenröther).
    Eine andere Quelle: »Der Sieg wurde mit noch nicht dagewesener Wildheit und Grausamkeit gefeiert. Zweieinhalb Jahrhunderte Heiliger Krieg hatten die Kreuzfahrer keine Menschlichkeit gelehrt. Nur in Jerusalem im Jahr 1099 und in Konstantinopel im Jahr 1204 war es zu ähnlichen Massenmorden gekommen. Die Muselmanen selbst waren in Antiochia oder Akkon nicht so grausam vorgegangen. Der Reichtum Alexandriens war ungeheuerlich, und die Sieger verloren beim Anblick von so viel Beutegut ganz einfach den Verstand.« 10
    Sieben Tage lang töteten und raubten die Ritter Christi, angeführt von einem katholischen König (wenige Jahre später ermordeten ihn die eigenen katholischen Barone), von einem katholischen Kanzler und einem katholischen Heiligen. Sie schonten nicht Moslems, nicht Juden noch dort beheimatete Christen. Die ganze Stadt stank nach den Leichen von Menschen und Tieren – »ein glücklicher Handstreich«, notiert Katholik Seppelt, der »im Abendland große Freude« erweckte, und erspart uns dezent Details, die Kollateralschäden sozusagen: geplünderte Moscheen, Kirchen, vernichtete Grabmäler, niedergebrannte öffentliche Gebäude, Speicher, auch zerstörte Faktoreien ortsansässiger Europäer. Wichtig allein: das Diebesgut. Die christlichen Horden versenkten viel davon noch unterwegs, die überladenen Schiffe und sich selbst zu retten. Ja, ein glücklicher Handstreich. Alexandria wurde rasch wieder verloren und Zypern selbst bald das »äußerste Land der Christenheit«.
    Nur diesen Verlust bedauern viele Römlinge älterer und neuerer Zeit. Nichts von dem Massaker, dem Riesenraub. Bei Kardinal Hergenröther wechselt kein Objekt den Besitzer, fließt kein Tropfen Blut. Gedenkt er doch – welch klassisches Paradigma katholischer Geschichtsklitterung –, man bedenke, eines einzigen Toten damals – und wessen?: »des vortrefflichen Legaten, der, aufgerieben von seinen Mühsalen und Sorgen, (6. Januar 1366) verschied«. Und fügt, den Fall abschließend, sogleich hinzu: »Der Papst hatte es nicht an Bemühungen fehlen lassen, dem Unternehmen die gehörige Unterstützung zu verschaffen.« Er hatte es, versichert viel später noch und wiederholt, als hätte er etwas Gutes zu vermelden, auch Seppelt, »eifrig« gefördert, hatte »schon seit Beginn seines Pontifikates sich um den Kreuzzug eifrig bemüht«.
    Zwei weitere Standardwerke katholischer Historiographie, das alte elfbändige Lexikon von Wetzer/Welte und das neue, kaum minder bänderreiche Handbuch der Kirchengeschichte, verschweigen auf je drei Seiten über Urban V. sowohl das Gemetzel in Alexandria als auch den Kreuzzug komplett, den »erfolgreichsten« doch, so Aziz S. Atiya, aller Kreuzzüge des 14. Jahrhunderts. Dagegen betont das jüngere katholische Werk – »endlich wieder eine Geschichtsschreibung großen Stils« (Johannes Spörl) – das Mönchische an Urban, seine, wie wichtig, beibehaltene Mönchstracht, »mehr noch seine mönchische Lebensweise«, und daß er ein »stark innerlicher Mensch« gewesen, der bloß, ja, leider, »dem Reiz der politischen Macht« verfiel. Blut aber floß auch demnach seinerzeit nicht. Und 1870 spricht Pius IX. den Schreibtischmörder selig.
    So macht man Heilsgeschichte.
    Oft hat man Urban V., dessen Grabdenkmal die Französische Revolution liquidierte, ein »heiligmäßiges« Leben nachgerühmt – obwohl einem kaum Schlimmeres nachgerühmt werden kann. Und zumindest seliggesprochen wurde auch ein gewiß viel gewaltigerer Massenmörder, Urban II. (VI 339 ff., 380 ff. bes. 383 f.), wenngleich erst nach einer Scham-und Schonfrist von fast achthundert Jahren. Doch durchaus folgerichtig mochte Leo XIII. 1881 schließen:

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