Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
apostolischen Zeit, des Urchristentums.
Noch bevor der militante Moralist, Pazifist und Philanthrop seine Polemik gegen die Orthodoxie stetig verschärft und den Katalog seiner Schuldsprüche vollendet hatte, schmetterte der Papst dagegen fünf Bullen an König, Bischöfe und Universität. Dann verdammt er am 22. Mai 1377 achtzehn Thesen Wyclifs als häretisch und verfügt seine Festnahme samt Ladung vor das römische Inquisitionstribunal.
Gedeckt aber durch Oxford, die Universität, durch seinen mächtigen Schutzpatron John of Gaunt, Herzog von Lancaster, und die einflußreiche Königinmutter Johanna von Kent, wurde dem »Ketzer« das Schlimmste erspart. Doch erfolgten Verhöre, Verurteilungen auf Synoden in London (Erdbebenssynode), in Oxford. Und nach seiner Vertreibung aus der Stadt 1381 und der Verbrennung seiner Schriften lebte er gelähmt in seiner Pfarre in Lutterworth (Lincolnshire), bis er einem zweiten Schlaganfall am 31. Dezember 1384 erlag. Nach fortgesetzter Verwerfung seiner Sätze von London bis Prag, nach Zusammenstellung von 267 Irrtümern 1411 in Oxford, nach Inkriminierung aller seiner Werke 1413 durch Johann XXIII., nach wiederholter Verbrennung auch seiner Bücher wurde auf Geheiß Papst Martins V. 1428 sein Skelett ausgegraben und verbrannt, der Rest in den Fluß Swift gestreut. 13
Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen
Gregor XI., wiewohl Franzose, hatte sich schon bald, wahrscheinlich seit Beginn seiner Regierung, zur Rückführung des Papsttums nach Rom entschlossen. Seit 1372 mehren sich entsprechende Hinweise darauf, auch offizielle. Zwar der König, der Herzog von Anjou, die zahlreichen Verwandten und die meisten Kardinäle mühten sich ihn abzuhalten. Aber die Römer mahnten, und die hl. Katharina von Siena, diese so Hochbegnadete, Außerordentliche, die einen Kreuzzug propagierte, die Befreiung Jerusalems, aber auch (seit ihrem sechsten Jahr) Visionen hatte und Jesu Vorhaut, von ihm selbst gespendet, zwar unsichtbar, doch unaufhörlich von ihr wahrgenommen, als Ring am Finger, so daß sie, Katharina, neben Franz von Assisi, noch heute Schutzpatronin Italiens ist, diese junge Frau also umwarb den Papst schriftlich von Siena her und mündlich monatelang in Avignon. Und auch die hl. Birgitta drängte, drängte von Rom aus, prophezeite Gregor im Falle seines Verbleibens in Frankreich den Tod, und starb selbst im Sommer 1373.
In Ober- und Mittelitalien aber hatten inzwischen die Kriege, die Belagerungen und Eroberungen, die Vormärsche und Rückmärsche einander abgelöst, waren ein Waffenstillstand, ein Feldzug dem andern gefolgt, wechselten die Bündnisse, Fronten, Abhängigkeiten.
Die Vorherrschaft der Visconti hatte Einbußen erlitten, als die Päpstlichen unter Kardinal Albornoz vor allem in der Mark Ancona und in der Romagna mächtig an Boden gewannen, nicht zuletzt dank großer, vom Papst zur Verfügung gestellter Gelder. Weitere Kriegsgewinne gegen die mit den Wittelsbachern verschwägerten Visconti hatte die Kurie von dem Luxemburger Karl IV. erhofft. Doch weder bei seiner Krönung 1355 noch bei seinem Italienzug 1368 löste er diese Erwartungen ein. Er war kaum in der Lage dazu und auch zu klug, sich mit den Visconti anzulegen, gegen die sich im Oktober 1370 in Viterbo zahlreiche Geschlechter und Städte formierten, darunter auch Königin Johanna I. von Neapel und der Papst; ein Bündnis, aus dem allerdings das bisher papsttreue, ja der Kurie besonders verbundene Florenz im Juli 1372 wieder ausgeschert ist, um dann seinerseits eine Allianz vieler Kommunen der Toskana sowie von Teilen des Kirchenstaates gegen die Papstmacht anzuführen, fortgesetzt und leidenschaftlich zur Freiheit aufzurufen, empört u.a. über die Ausfuhrsperre von Lebensmitteln aus der benachbarten Romagna durch den Kardinal-Legaten während der Hungersnot von 1374/1375. Statt den Hunger zu bekämpfen, schickte der Heilige Vater ein bretonisches Söldnerheer zur Bekämpfung von Florenz. 14
Mit Gregors Regierungsantritt hatte sich eine zunehmend antiklerikale Stimmung verbreitet, wie gewöhnlich von der Kirche selbst verursacht, infolge der schweren Bedrückungen durch die päpstlichen Gesandten und Rektoren, damals »Pastoren der Kirche« genannt, vor allem durch unverschämte Ausbeutung, maßlos überhöhte Subsidienforderungen, unablässige Kriegssteuern.
In Perugia beispielsweise, seit dem Spätherbst 1370 wieder päpstlich, führte der Legat Gérard von Puy, Abt von Montmajeur, ein
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