Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Gelehrten zu betrachten, dessen Bücher er wie andere studiert und viel Gutes daraus gelernt habe. »Aber für Glaubenswahrheit halte er nicht, was ein Gelehrter schreibe. Glaubenswahrheit biete nur die Heilige Schrift. Er ermunterte die Studierenden zum Studium der Schriften Wiclifs; was sie in ihnen noch nicht verstünden, sollten sie zurückstellen für später; Ansichten, die dem Glauben zuwider seien – solche fänden sich bei Wiclif –, sollten sie weder verteidigen noch annehmen. Sie hätten sich dem Glauben zu unterwerfen.« 10
Aber bald stieß Hus auf ein neues schweres Ärgernis, das ihm der Papst selber gab.
Im Kampf gegen König Ladislaus von Neapel hatte Johann XXIII. am 9. September 1411 eine Kreuzzugsbulle erlassen und darin nicht nur den Kriegern, nicht nur jenen, die auf eigene Kosten kämpften, den Sündennachlaß (venia peccatorum) versprochen, sondern sogar allen, die für den Kreuzzug bloß zahlten. Vielleicht hatte gerade dies Hus provoziert, der einst selbst sein letztes Geld für die Gewinnung eines Ablasses ausgegeben, nun freilich schon längst und grundsätzlich gegen die Ablässe, die gesamte kirchliche Ablaßlehre, aufgetreten war und in einer Predigt sich mokierte, weil Paulus den Korinthern bei seiner Almosensammlung für die Jerusalemer Heiligen keine Ablässe bewilligt habe.
Als man im Mai 1412 in Prag Kreuzzug und Kreuzzugsablässe feierlich verkündete, wurden in drei großen Kirchen, darunter im Dom neben dem Veitsaltar, drei Truhen aufgestellt, in die man gleich das Geld für den Ablaßkauf war f. »Jetzt ist den Völkern die höchste Gnade geworden! Jetzt steht der Himmel offen!« posaunten die päpstlichen Geldeintreiber aus, »die geldgierigen Lehrer des Antichrist«, vom »Mammonsteufel« inspiriert. Denn ein Blinder, donnerte Hus, könne mit Händen greifen, daß es dem Papst nur um's Geld gehe, erwähne er doch das Gebet dabei mit keiner Silbe; ganz beiseite, daß weder er noch die Priester wüßten, ob die Menschen, die den Ablaß kauften, wirklich bußfertig seien. Eine »Schande«, rief Hus, warf dem Papst »sträfliche Vermessenheit« vor, »schändlichste Simonie«, und die Leute sangen Spottverse, schmissen Scherben, Knochen und verfaulte Fische in die Ablaßtruhen.
Auch fand sich im Juni auf dem Hradschin in einem solchen Kasten ein Zettel mit vehementen Attacken gegen die »Anhänger des Belial und des Mammon«, gegen den Papst, den »Antichrist«, nebst dem Schlußsatz: »Man muß dem wahrhaftigen Magister Hus mehr glauben, als dem Prälaten, der betrügerischen Menge oder den Konkubinariern und Simonisten.« Hieronymus von Prag aber, im Unterschied zu Hus berüchtigt für spektakuläre Aktionen, ließ stadtbekannte Nutten, Kopien der Papstbulle um den Hals, durch die Straßen fahren und die Urkunden dann auf dem Viehmarkt (heute Karlsplatz) verbrennen.
Gewiß erregte es Hus auch, vielleicht sogar mehr, daß der Stellvertreter Christi zum Blutvergießen aufrief, daß er nicht, wie Hus äußert, das Pauluswort beherzige, »Mein ist die Rache, ich werde vergelten« (Rom. 12,19), daß sich seine Bulle auch noch gegen Christen richtete, wobei Johann XXIII. den neapolitanischen König freilich mit allen apostolischen Zungenschlägen als blasphemischen, schismatischen, häretischen und meineidigen Majestätsverbrecher abkanzelt. 11
Mit seiner Attacke auf Johann aber, den regierenden Papst, hatte sich Hus offensichtlich übernommen. Gerade noch dominierende Instanz der böhmischen Reformer, sah er sich auf einmal, Studenten und Teile des Volkes ausgenommen, ziemlich isoliert, selbst von Freunden verlassen. Die theologische Fakultät stand gegen ihn, auch der größte Teil des Pfarrklerus, ebenso das Domkapitel und der Erzbischof- seit dem Tod Zbyneks von Hasenburg im Herbst 1411 der Deutschmährer Albich, obwohl dieser, vor kurzem noch verheiratet, mit Theologie nichts am Doktorhut hatte. Er war Doktor der Rechte und ein hervorragender Medizinwissenschaftler, auch Leibarzt Wenzels, der ihn als Erzbischof gewünscht, weshalb man den Papst mit 3600 Goldfloren bestochen. Doch wenig angezogen von den Prager Querelen und theologisch überfordert, wich der neue Kirchenfürst rasch in die Propstei Vysehrad, den südlichen Stadtteil, aus, später nach Mähren und Breslau.
König Wenzel, infolge der allgemeinen Anerkennung Sigismunds als römisch-deutscher König zur Protektion der Prager Reformbewegung politisch nicht weiter motiviert, begünstigte nun nicht mehr Hus; mit
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