Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Johanns und der Resignation Gregors sowie der Wahl Papst Martins V. am 11. November 1417 seine Bedeutung verloren und damit das Konzil eines seiner drei Ziele, die causa unionis, die Beseitigung der Spaltung, die Kirchenvereinigung erreicht.
Ein weiteres wichtiges Ziel dagegen, die causa reformationis, die Kirchenreform, blieb, trotz einiger Ansätze des neuen, nun so gut wie allgemein anerkannten Kirchenhauptes, weithin auf der Strecke. Denn die Prälaten, denen es glänzend ging, die in ihren fetten Pfründen schwammen, »stinkende Menschenkadaver« schimpfte sie seinerzeit ein Theologe, hatten, Ausnahmen beiseite, doch gar kein Interesse daran. Gegen das Wort Reform – kein Einwand. Aber gegen die Sache. Je länger die Versammlung dauerte, desto mehr versandete sie. Am Ende des Jahres 1415 klagten die Deutschen, daß alle Mißbräuche, derentwegen man Papst Johann abgesetzt, noch florierten, »und die Synode unterlasse es, sie zu verdammen«. Auch im ganzen nächsten Jahr geschah diesbezüglich nichts.
Einem dritten Ziel aber, der causa fidei, der Sache des Glaubens, wurde man wenigstens insofern gerecht, als das ehrwürdige Konzil, das man, so das Handbuch der Kirchengeschichte, »kaum überschätzen« könne »für die Ausbreitung des Humanismus«, auch zwei Menschen verbrannte, bedeutende Menschen, bekennende Christen. 35
6. Kapitel
Jan Hus und die Hussitenkriege
»Darum, treuer Christ, suche die Wahrheit, höre die Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit, sage die Wahrheit, halte die Wahrheit, verteidige die Wahrheit bis zum Tod.«
Jan Hus 1
»Hus sprach die Not seiner Hörer aus dem gemeinen Volk an und bezog mit aller Brisanz das biblische Nein und Ja auf ihre soziale Situation. Der Widerstand der Opponenten wurde sicher durch diese soziale Komponente der hussitischen Predigt verschärft. Die Nachfolger von Hus – vor allem der revolutionäre Prager Priester Jan Zelivský und die Taboriten – entfalteten diese Akzente zu einem revolutionären Programm. Sie gingen dabei in manchem über Hus hinaus: in der Erkenntnis, daß die Wahrheit Gottes verpflichtende soziale Folgen hat, dachten und handelten sie jedoch im Geiste von Hus.«
Jan Milic Lochman 2
»Erst, da Hus fort war, wurden seine Gedanken eigentlich lebendig.«
Leopold von Ranke 3
»Am Ende überwuchert das Soldatische oder – als traurige Wirklichkeit richtiger – die Soldateska alles. Unter ihren Schlägen verschärft sich die soziale Ungerechtigkeit, denn es leiden die Ausgebeuteten immer noch mehr als die Ausbeuter. Die Misere der Plünderungskriege, wie sie in dieser Zeit und in den nächsten Jahrhunderten immer mehr in Übung kamen, schuf noch wirksamer jenes Massenelend der Besitz- und Rechtlosen, als es Klassengegensätze je herbeiführen konnten – und das zu beheben die hussitische Bewegung ausgezogen war. Das Ende war ein Trümmerhaufen mitten in Europa, ein Vorgeschmack auf die Massenzerstörungen des Dreißigjährigen Krieges.«
Heinz Rieder 4
Schon unter Karl IV. waren in Böhmen namhafte Reformprediger aufgetreten, die sich wieder an der Nachfolge des biblischen Jesus orientierten. Ja, der Kaiser selbst, Verfolger doch der deutschen Waldenser im Land, berief den populären österreichischen Augustinerchorherrn Konrad von Waldhausen (Waldhauser), der seit 1350 vor allem in Wien gewirkt, 1363 nach Prag, mit etwa 40000 Einwohnern eine der größten Städte Mitteleuropas. Und auch hier, wo er kaiserlicher Hofkaplan und Pfarrer an der vornehmen Teinkirche wurde, predigte er mit nachhaltigem Erfolg, hatte aber auch außerhalb Prags und Böhmens, im Bistum Salzburg etwa, in Erfurt, großen Zulau f. Waldhauser trat für umfassende Kirchenreformen ein, geißelte den Sittenverfall, den Luxus der Reichen, die Geldgier der Bettelorden, bis man ihm 1368 wegen »Ketzerei« den Prozeß machte, in dessen Verlauf er 1369 starb. 5
Waldhausers Tätigkeit setzte Jan Milic von Kremsier, sein tschechischer Schüler, fort, er aber, im Unterschied zum Lehrer, tschechisch predigend. Aus mährischem Kleinadel, aus der königlichen Kanzlei in Prag, dem dortigen Domkapitel kommend, gab Milic um 1364 all seine Ämter auf und gründete das »Neue Jerusalem«, eine Predigerschule sowie ein Missionshaus für bekehrte Prager Dirnen. Er lebte asketisch, mied Frauen, trug stets dasselbe und badete, wie viele mittelalterliche Mönche, nie. Als stark adventistisch geprägter Bußprediger verkündete er die baldige Ankunft, ja schon die
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