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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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»evangelicus doctor« genannt, erinnert immer wieder an die Bibel. Etwa an das Wort: »Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt es auch.« Oder an Matthäus 19,21: »Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe dein Hab und Gut und gib (den Erlös) den Armen ...« Doch wie stand es in Wirklichkeit? Hus sagt es. »Man zahlt für die Beichte, die Messe, für die Sakramente, für den Ablaß, den Segen, das Begräbnis, für Gebete. Auch der allerletzte Heller, den sich ein Großmütterchen in einem Tüchlein versteckt hat, bleibt ihr nicht. Es nimmt ihn aber der diebische Pfarrer ...« Hus brandmarkt die Domherren, die »faulen Meßstecher«, die kaum das Ende des Gottesdienstes abwarten können, hinaus in die Wirtshäuser eilen, zu Tanzereien, »wie wilde Tiere« hinter dem Mammon, dem Wucher, der Unzucht, der Völlerei her – »die größten Feinde unseres Herrn Jesu Christi.« 9
    Hus geißelt das profitable Geschäft mit mirakelreichen Reliquien, das »Übel« der Bettelmönche, die »durch vorgebliche Wunder« und »lügenhafte Vorspiegelungen« das Volk ausbeuten, die Erde, aus der Adam gebildet, Stroh aus dem Stall von Bethlehem feilbieten, Eselsmist, Wasser vom Jordan, Manna aus der Wüste, Haare vom Fell des Täufers, vom Bart Jesu, Locken der Jungfrau Maria, ihr Ohrenschmalz, ihre Milch. Oder die Geld scheffeln durch drei blutrote Hostien in Wilsnack (Havelland), wo die Pilger zu Tausenden von Ungarn bis Schweden und Norwegen herströmen, erwiesenermaßen Lug und Trug, »nichts als Täuschung«.
    Hus agitiert wider die Bischöfe, Prälaten, »die Teufelsherrn« und ihre großen Güter. »Mögen sie doch nachweisen, wo Christus der Herr sie zu Besitz und Herrschaft über dieses Gut berufen hat!« Ist aber »bei einer Kirche kein Gut, so findet man auch keinen Pfaffen«.
    Gerade die Kritik am weltlichen Besitz, an den Herrschaftsrechten der Kirche mißfällt dem Erzbischof begreiflicherweise. Und ebenso mißfällt ihm die zunehmende Vorliebe für John Wycli f. 1406 verbietet er dessen Lehre. 1408 – das Jahr, in dem der erste bezeugte Angriff auf Hus erfolgt, und zwar durch den Prager Pfarrklerus, der sich ganz offensichtlich in seiner materiellen Existenz durch Hus bedroht sieht – 1408 befiehlt der Erzbischof die Abgabe von Wyclifs Schriften und läßt sie am 16. Juli 1410 im erzbischöflichen Hof im Beisein vieler Priester, entgegen einem königlichen Aufschubbefehl, verbrennen. Man sang ein Tedeum dazu, und alle Glocken läuteten wie für Verstorbene. Zwei Tage später wurde Hus samt Genossen gebannt, exkommuniziert auch jeder, der Wyclifs Werke nicht abgeliefert.
    Doch riß man sich nach dem Vernichtungsakt erst recht darum. Peitschte im übrigen Hus-Anhänger in einem Gewölbe des erzbischöflichen Hofes, mißhandelte aber auch Hus-Gegner. Noch in den Kirchen kam es zu fatalen Szenen. Mit gezückten Schwertern stürzte man auf einen Prediger, und Kleriker flohen dutzendweise, sogar mitten in der Messe, von den Altären, wie einmal der Erzbischof selbst mit vierzig Priestern.
    In Verkennung der Lage appellierte der überhaupt von Optimismus erfüllte Hus wegen Bücherverbrennung und Predigtverbot an den Papst. Und hatte schon Innozenz VII. 1405 das Einschreiten gegen die Verbreitung von Wyclifs Lehre in Böhmen gefordert, so empfahl nun Johann XXIII. (der den Husprozeß in verschiedene Hände legte, auch in seine eigenen) durch den Kardinal Oddo Colonna weiteres Vorgehen des Erzbischofs in Prag, notfalls mit Hilfe des weltlichen Arms, was Gewaltanwendung hieß; andernfalls werde er selbst mit Exkommunikation bedroht.
    Der Metropolit aber, ein folgsamer Diener seines Herrn, wiederholte und verschärfte bald Hussens Exkommunikation. Und dies nebst weiterem verschärfte wieder die Situation in der Stadt, die Wirren steigerten sich. Doch Hus, der, anders als sein Freund Hieronymus, nie zu den Radikalen zählte, der Sätze Wyclifs nicht selten abgeschwächt, der die bestehende Gesellschaftsordnung, wie ja auch Wyclif, grundsätzlich akzeptiert hat, wollte keine Zwangsmaßnahmen, keine Revolution. Und hatte der König schon vordem seine Bereitschaft erklärt, Anhänger der wyclifitischen »Ketzerei« verbrennen zu lassen, suchte Hus den Konflikt zu vermeiden.
    Bereits früher war er auf keinen Konfrontationskurs aus, hatte er sich als gehorsamer Sohn demütig dem Erzbischof unterworfen, seiner Unterweisung, seinem Tadel, seinem Schutz, hatte er in einer Universitätsrede wohl 1409 betont, Wyclif als

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