Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
die von diesem erlassene Kreuzbulle »Zur Ausrottung der Wiclifisten und Hussiten«, der selbst noch Hunderte von Niederländern folgten.
Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«
Man glaubte leichtes Spiel zu haben, rückte von Schlesien in Böhmen ein, holte sich aber 1420/1421 infolge veralteter Totschlagmethoden der königlichen Truppen in schweren Kämpfen nur Niederlagen. Die Taboriten verwüsteten darauf Böhmen, stürmten Schlösser, bezwangen Burgen mit Hilfe ihrer Kanonen, verbrannten Dörfer, stachen die Einwohner ab, ließen in Komotau (Chomutov) nur so viele am Leben, daß sie die Toten begraben konnten.
Der König mußte das Land verlassen, der Adel, gerade noch großzügig mit Kirchengut, mit Kirchenschätzen bestochen, wechselte die Front, ging mit fliegenden Fahnen zu den Hussiten über. Sogar Erzbischof Konrad von Vechta trat ihnen 1421 bei. Im Jahr zuvor hatte er noch Sigismund im Veitsdom zum König von Böhmen gekrönt. Der Prälat wurde gebannt und starb, zurückgezogen auf seinen Besitzungen, 1430.
Beim zweiten Kreuzzug 1421/1422 fiel man von Westen und Osten her in Böhmen, in Mähren ein. Die Horden deutscher, ungarischer und kroatischer Truppen ergossen sich zügellos plündernd über das Land, flohen aber vor dem anrückenden Gegner kampflos bis über die Grenzen. Sigismund entrinnt gerade noch. Deutsch-Brod wird beim Verfolgen der Invasoren erobert, eintausendfünfhundert Männer, Frauen und Kinder werden erschlagen und mit der ganzen Stadt verbrannt. Viele Hunderte von Fliehenden ertrinken mit Roß und Wagen unter dem brechenden Eis der Sazawa, über tausend Leichen liegen längs der Straße nach Kuttenberg, ein Fraß für Hunde und Wölfe. »Böhmen begann sich nach diesem Kreuzzug mehr und mehr in eine Wüste zu verwandeln« (Rieder). 25
Denn wie die katholische Kirche Hus erledigt hatte, so suchte sie auch den Hussitismus auszulöschen, natürlich gleichfalls durch Gewalt, durch Bildung immer neuer Kreuzheere. Martin V. (1417–1431), der einzige Colonna auf dem Papststuhl, forderte sie, während Sigismund nach dem Versagen der Reichstruppen die Sache satt hatte. Doch kam alsbald, im Auftrag der Kurfürsten, der Kölner Erzbischof Dietrich nach Ungarn, um die »Vertilgung der Ketzer« voranzutreiben. Und der Papst schickt dem König Kardinal Branda, um das Blutbad wiederzubeleben. »Erhebe dich«, stachelt der Heilige Vater brieflich den kampfmüden Fürsten an, »damit nicht die übrigen Gläubigen sich auf deine Lauheit berufen und mit deinem Benehmen ihre eigene Trägheit entschuldigen könnten!« Und heischt auch in einer Bulle die Vernichtung, ja, ruft noch die eigne Priesterschaft bewaffnet in die Schlacht gegen das »giftige Gewürm«.
Aber der König tat nichts, er tat nur so. Er trat gern als Vogt und Schirmherr der Kirche auf, als Retter der Christenheit. Er erklärte alle »Ketzer« für vogelfrei und drohte ihnen die schrecklichsten Strafen an. In der Nürnberger Sebalduskirche nahm er feierlich das vom Papst geweihte Kreuzpanier entgegen, versprach einen Kreuzzug, doch er hielt sein Versprechen nicht. Er rührte keinen Finger.
Selbst als der alternde Zizka 1424 in Böhmen wütete, schlimmer als je, griff er nicht ein. Es wurde »Zizkas blutiges Jahr« – und sein Todesjahr. Mitte September war er, nicht mehr einäugig, sondern voll blind, kriegsblind, umjubelt in Prag eingezogen, einen knappen Monat später, am 11. Oktober 1424, raffte ihn die Pest hinweg, nicht ohne daß er die Seinen verpflichtete, »voll Gottesfurcht fest und getreu die göttliche Wahrheit zu schirmen um der ewigen Vergeltung willen«. (Im Dreißigjährigen Krieg wurde sein Grab geplündert und auf Anordnung Kaiser Ferdinands II., des gottesfürchtigen, zerstört.) 26
Zizkas Nachfolge trat Prokop »der Große« an (auch der Kahle genannt, Rasus, da bartlos). Er war hussitischer Priester, kam möglicherweise aus dem Prager Patriziat und setzte den Kampf mit aller Brutalität fort. Und mit Gott. Ja, der Krieg war geradezu der Weg zu diesem. Tat Prokop doch kund: »Durch die Gnade Gottes wird das Getümmel des Krieges die Herzen zur Erkenntnis und zum Ergreifen der Wahrheit bringen.« Das geschah, indem man Dörfer und Städte in Flammen aufgehen ließ und die Gefangenen hängte. Natürlich auf beiden Seiten. Und jetzt, im Herbst 1425, ging auch Sigismund gegen die Hussiten vor, mit ungarischen Truppen und gestützt auf eine starke Streitmacht Herzog Albrechts V. von Österreich, seines
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