Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Deutschland gejagt. Dabei spielte der Kardinallegat Heinrich von Beaufort, Bischof von Winchester, fast eine Heldenrolle, indem er die deutschen Truppen, die in panischer Angst vor den unter Prokop herandonnernden Hussiten flohen, aufzuhalten suchte, die päpstliche Fahne und das Bild des Gekreuzigten schwang, schließlich mit dem Brandenburger Kurfürsten in Tränen ausbrach. Und alles in Tachau, mit Ausnahme der Frauen und Kinder, wurde nach Erstürmung der Stadt von den Siegern geschlachtet. Die Fürsten freilich und sonstigen Herren, die von einer »List des Teufels« sprachen, hatten sich sämtlich gerettet. 29
Die Kirche rief zwischen 1420 und 1431 zu vier Kreuzzügen gegen die Hussiten auf, zu »Heiligen Kriegen«, in denen man keine Frauen mitführen durfte, in der Woche einmal beichten und möglichst oft die Messe hören mußte. Das förderte die fromme Sache, diente der blutigen Ausmerzung der »Ketzerei«, diente aber vor allem, wie bei den Hussiten, der Plünderung.
Papst Martin V., seit Herbst 1420 in dem zerstörten, unsäglich verarmten Rom, wo nachts die Wölfe in den vatikanischen Gärten heulten und aus dem benachbarten Friedhof die Toten scharrten, blieb unversöhnlich; er und sein Kardinal Heinrich von Winchester schürten unermüdlich den Krieg. Und unter kirchlichem Einfluß erhob man auch eine allgemeine »Hussitensteuer«, eine Art Kopfgeld: 25 Gulden der Graf, fünf Gulden der Ritter, einen Groschen der sogenannte gemeine Mann. Und noch Jude und Jüdin sollten je einen Gulden zahlen. Doch waren die Hussiten früher zur Stelle als auch nur ein kleiner Teil der Steuer, der überdies verschleudert wurde. König Sigismund, dessen Krieger damals in Ungarn vor Galambocz gegen die Türken eine verheerende Niederlage erlitten, wobei er selbst knapp dem Verderben entrann, löste Sold- und Finanzfragen mitunter dadurch, daß er die Prager Kirchenschätze plündern oder geldgierige Barone durch Verpfändung von Kirchengut befriedigen ließ.
Als man sich unter hussitischem Druck und zunehmender Kriegsmüdigkeit auf Verhandlungen einließ und den nach der Burg Beheimstein benannten Vertrag schloß, war es der Papst, der jede Verhandlung, jedes Gespräch mit »schändlichen und verstockten Ketzern« verbot und ihre gewaltsame Unterjochung verlangte. Bis zuletzt erhoffte er »militärische Erfolge, um auf Verhandlungen mit den Hussiten verzichten zu können« (Koller). Der selbstherrliche Colonna, der seine Familie durch Güter und Abgabenfreiheit ganz übermäßig privilegierte, war auch anderweitig nicht zimperlich, ging beispielweise im Kirchenstaat mit »rücksichtsloser Gewalt« vor (Seppelt). Und hatte Martin bereits am 22. Februar 1418 seine Bulle »Inter cunctas« gegen die Hussiten gerichtet, hatte er schon damals, zu Beginn seines Pontifikats – eine seiner ersten Regierungshandlungen –, den Kardinallegaten Giovanni Dominici beauftragt, in Böhmen gemeinsam mit der weltlichen Macht die »Ketzerei« auszurotten, so schickte er zu demselben Zweck noch 1431, kurz vor seinem Tod, den neuen Kardinallegaten Giuliano Cesarini, den mehrjährigen Präsidenten des Basler Konzils (1431–1437), zum Nürnberger Reichstag.
Offensichtlich betrieb der Kardinal die Vorbereitung des neuen Krieges, des Vierten Kreuzzuges, viel angelegentlicher als der nicht sehr interessierte König. Cesarini überreichte auch im Sommer in Nürnberg einem Kreuzzugführer, dem Kurfürsten Friedrich von Brandenburg, feierlich das Kreuz, bevor er selber mit einer Leibwache von dreihundert Lanzenträgern als Scharfmacher der Seinen und, laut päpstlicher Ernennung, Anführer des Ganzen in den Kampf zog, vom Gedanken der »Ketzer«-Vernichtung, wie es heißt, »bis zum Überströmen« erfüllt.
So blieb, als man im August Richtung Pilsen vorrückte, nichts am Leben. Denn was Albert Hauck von den Hussiten sagt, »das Nebeneinander von Gottesdienst und Mord ist bezeichnend für die hussitische Frömmigkeit«, das gilt genauso für die katholische. Man hieb alles zusammen, was böhmisch war, auch Frauen und Kinder, sogar Katholiken, eine ja schon aus früheren Kreuzzügen bekannte Methode der Heilsgewinnung. Doch als Prokops Heer nahte, das größte, das er je hatte, angeblich mehr als fünfzigtausend Mann, als am 14. August bei Taus die Erde von den heranstürmenden Streitwagen der Hussiten dröhnte, die Luft voll war von gellenden Trompetenstößen, Schlachtgebrüll und Totschlaggesängen »Die ihr Gottes Krieger seid ...«, da
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