Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
erfaßte die Gotteskrieger der anderen Seite das kalte Grausen. Da machten sie, fast ohne Feindkontakt, kehrt, brauste alles, koste es, was es wolle, drunter und drüber, ohne Waffen, Gepäck und Diebesgut, mit nur dreihundert von viertausend Wagen dem Böhmerwald entgegen, verkeilte sich, den bösen Feind im Rücken, in den schmalen Wegen – ein Chaos.
Der Kardinallegat Giuliano Cesarini opferte seine Leibwache. Sie wurde niedergemacht. Er selbst entkam unter Zurücklassung der päpstlichen Fahne, seines roten Hutes, seines Mantels. Auf ungesatteltem Pferd, heißt es, sei er in Unterwäsche davongejagt – und mußte, jenseits des Böhmerwaldes, erneut das Weite suchen, nur diesmal vor den eignen wütenden Haudegen, die auch seinen Wagen voller Geld und Schmuck behielten. In Nürnberg aber, wo Sigismund das Ganze abgewartet, drängte der Kardinal sofort zur Fortsetzung des heiligen Spektakels, zu einem weiteren »Ketzer«-Krieg und klagte brieflich dem Papst, daß »die Laien auf Hussitenart über uns herfallen und uns niedermachen werden, wohl in der Meinung, derart ein gottgefälliges Werk zu tun«. 30
Gleichwohl war der Widerstand der Taboriten durch den fünfzehnjährigen Krieg geschwächt, war ihre Übermacht durch eine neu geschaffene Koalition des katholischen Adels und der Utraquisten, der gemäßigten Hussiten, gebrochen. Von ihr aus Prag und aus dem Pilsener Raum verdrängt, wurden die taboritischen Heere am 30. Mai 1434 in der Schlacht von Lipan (30 Kilometer östlich von Prag) vernichtend geschlagen, etwa dreizehntausend Mann – mit Hilfe einer Kriegslist, einer Scheinflucht – niedergemetzelt, darunter auch Prokop. Nur einige hundert Gefangene blieben übrig, wurden in Scheunen gesteckt und verbrannt. Noch ein Aufstand unter dem tschechischen Adligen und Hussiten-Heerführer Jan Rohác z Dubé brach zusammen. Man nahm ihn am 6. September 1437 auf seiner Burg Sion gefangen und tötete ihn samt seinen Kampfgenossen drei Tage später. Im selben Jahr noch starb Sigismund, dem Albrecht V. von Österreich auf den böhmischen und ungarischen Thron folgte, bevor auch er, schon zwei Jahre danach, das Zeitliche segnete, auf einem Feldzug gegen die Türken. 31
Das militante Hussitentum, das eineinhalb Jahrzehnte Mitteleuropa in Atem gehalten, hatte mit der Niederlage bei Lipan ausgespielt, der radikale Flügel war entmachtet, der konservative auf einen dürftigen Kompromiß festgelegt, die Basler (bzw. Prager) Kompaktaten. Sie erlaubten den Hussiten das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (sub utraque specie), erlaubten für Böhmen also den Kelch. Es wurde Landesgesetz; doch weder das Plenum des Basler Konzils bestätigte es noch der Papst. Und unter Georg von Podiebrad (1458–1471), dem »hussitischen König«, kommt es zu einem neuen Kreuzzug. 32
7. Kapitel
Das christliche Europa gegen Mitte des 15. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung Papst Eugens IV., weiterer Judenpogrome und des Deutschen Ritterordens
»Eugen IV. (1431–1449). Der tief fromme, vielleicht für seine neue Aufgabe zu sehr mönchisch-strenge, durch Güte und Wohltätigkeit ausgezeichnete neue Papst sollte eine Regierungszeit ganz eigener Art haben.«
Wilhelm Neuss 1
»Selten hat die Regierung eines andern Papsts über die Provinzen der römischen Kirche gleiche Verwüstung und gleiches Unheil gebracht. Die vom Kriege gegeißelten Landschaften, die verheerten und zertrümmerten Städte, die verwüsteten Äcker, die von Räubern vergewaltigten Straßen, mehr als fünfzig teils zerstörte, teils von Kriegsknechten geplünderten Orte haben jede Art der Wut erfahren. Viele Bürger sind nach der Vernichtung ihrer Stadt als Sklaven verkauft, viele in Kerkern durch Hunger umgekommen.«
Poggio Bracciolini, italienischer Humanist und päpstlicher Sekretär unter Eugen IV. 2
»Die Kriege im Kirchenstaat unter diesem Papst waren überhaupt so vernichtend wie wenige vorher.« »Der tägliche Anblick von Köpfen oder Gliedern gevierteilter Menschen, welche an den Toren festgenagelt oder in Käfigen oder auf Lanzen ausgestellt waren, oder das tägliche Schauspiel von Verbrechern, die man in die Kerker und auf die Richtplätze abführte, mochte selbst die abgehärteten Nerven der damals Lebenden erschüttern.«
Ferdinand Gregorovius 3
»Die Juden leben wegen ihrer Schuld in ewiger Knechtschaft. Die Herren können ihnen daher alles wegnehmen und ihnen nur das Lebensnotwendige lassen ...«
Thomas von Aquin 4
»Man müsse endlich
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