Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Hals steifän.«
Also kam sie als Zeugin wohl nicht in Betracht. Meine Faust umfasste die Gabel, stieß kraftvoll zu, glitt ab und beförderte die Blutwurst in hohem Bogen über den Tellerrand auf Libušes Schoß. Dazu schwappte ein Spritzer Krautsoße über den Tellerrand und landete zielgerichtet auf ihrer Landhausmode, just an jener Stelle, wo sich mir über der weißen Brüstung des Blusenbalkons das pralle Leben in doppelter Ausführung entgegenwölbte.
Ungeschickt versuchte ich, die Krautsoßenspritzerflecken mit einer Serviette in das Muster ihres Mieders einzumassieren, während meine Linke nach der Blunze in ihrem Schoß tastete. Doch Libušes Hand war schneller, griff nach der prallen Wurst, umfasste sie und legte sie mit einer fast zärtlichen Bewegung wieder auf meinen Teller zurück. Unsere Blicke begegneten sich, und das glänzende Leuchten ihrer fast schwarzen Augen bohrte sich tief in mein Herz.
»Bin ich froh, dass Sie sind Kommissar«, sagte sie, und ihre Finger ruhten sanft auf meiner Wurst. »Hab’ ich Angst wegän Merdär.«
»Das müssen Sie nicht«, entgegnete ich, während die Serviette in meiner Linken die Trockenlegung des Krautsoßenflecks fortsetzte. »Ich bin ja jetzt bei Ihnen!«
»Trotzdäm«, beharrte sie. »Merdär ungeheimlichär ist unter uns, und Opfär nächstäs wird sich bald umgebracht sein!«
»Sie glauben, dass er noch einmal zuschlägt?«, fragte ich.
Sie nickte und ließ meine Wurst los.
»Ich spiirä. Und bin ich froh, dass Sie sind Schutzengäl meinigär.«
Ja! Ich würde ihr Schutzengel sein und kein Auge von ihr lassen, solang der unheimliche Mörder in den Reihen der Musiker sein Unwesen trieb. Ich würde sie beschützen gegen alle Killer dieser Welt!
Wer es wagte, dieser herrlichsten aller Blumen unter den zarten Pflanzen dieser Welt auch nur ein Haar zu krümmen, würde meine Faust zu spüren bekommen, so wahr ich der berühmte Kommissar Zufall war – howgh, ich habe gesprochen!
»Und wann du gefangän Merdär«, hauchte sie jetzt – und ich spürte ihr Herz unter meiner Serviette klopfen – »kennän wir machän Unterricht in Blasän, nur ich und du!«
Ihr tschechischer Akzent und das »du« klangen wie Musik in meinen Ohren. Über beide derselben hatte ich mich verliebt!
Unsterblich verliebt in Libuše Kabelková, die Rose der behmischän Prärie.
Eiibii
Am Ortseingang von Wurmlingen begrüßte mich ein grünes Schild mit den Worten. »Ludwig Uhland war zu Besuch«. Leider hatte ich keine Zeit, das durch jenes Kirchlein dort droben auf dem Berg berühmt gewordene Dorf näher kennenzulernen. Doch ich hatte inzwischen meine Hausaufgaben gemacht und Erkundigungen eingezogen. So wusste ich, dass der schwäbische Dichter und – laut Heinz Erhardt »Erfinder der gleichnamigen Straße« – sich und der Kapelle ein Denkmal mit den schönen Versen »Droben stehet die Kapelle« gesetzt hatte. Darin war, unter anderem, vom »schauerlichen Leichenchor« die Rede, was mit zu denken gab. Ich hatte bislang nur Männer- oder Kirchenchöre gehört und war gespannt.
An des Dichters Halle am Ortsausgang Richtung Hirschau, von wo aus ich einen löwenstarken Rostbratenduft mit Bratkartoffeln wahrzunehmen glaubte, stellte ich meinen Wagen ab. Nachdem ich dem »Ludwig- Uhland-war-zu-Besuch«-Schild mit wasserfestem Stift hinzugefügt hatte: »Kommissar Zufall auch!«, ignorierte ich den lockenden Hirschauer Bratkartoffelrostbraten und ging bebenden Herzens und hungrigen Magens bergauf.
Ich gewahrte den Schatten der Friedhofsmauer, wie er sich über mir gegen den fast schwarzen Abendhimmel schob. Kein Stern war zu sehen, nur das gleichmäßige Blinken eines Flugzeugs auf dem Weg zum nahen Stuttgarter Flughafen durchzuckte die Dunkelheit. Ich ahnte den Asphalt des schmalen Bergwegs mehr als ich ihn sah, und doch trat ich nicht einmal daneben. Wie schnell sich die Augen doch an die Dunkelheit gewöhnten!
Plötzlich blieb ich stehen und lauschte. Hatte ich Schritte gehört? Kam Alibert Bratvogel, genannt Eiibii, der mich für nach dem Konzert auf den Bergfriedhof der Wurmlinger Kapelle bestellt hatte, hinter mir her oder wartete er oben auf mich? Was wollte er von mir?
Ein mulmiges Gefühl hatte mich beschlichen, seit ich meinen Opel verlassen und mich in der nächtlichen Einsamkeit auf den beschwerlichen Fußweg zur Kapelle gemacht hatte. Was, wenn er mich in eine Falle lockte? Wenn Langfried Schiebers Mörder mich da oben erwartete, um mich kurzerhand ins
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