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Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt

Titel: Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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oder Flöte. Mit fachmännischen Bewegungen untersuchte er die Querflöte vom Einblasloch bis zur letzten Klappe, nahm sie auseinander und setzte das lange Ende wie ein Fernrohr ans Auge.
    »Das haben wir gleich!«, murmelte er, nahm den Bleistift, den er auf dem Pult liegen hatte, und stocherte damit unter der h-Klappe herum, bis er einen kleinen Gegenstand hervorgepult hatte, der wie ein winziges Stückchen zu heiß gebratener Speck aussah.
    Heini reichte mir das pergamentähnliche Schrumpelteil, es war ein luftgetrockneter Fisch, klein und zusammengeschnorrt, der sich zwischen Tonloch und Klappe verfangen hatte, und ich erkannte sofort Anton, einen der Guppys aus meinem Aquarium. Kein Wunder, dass die Flötentöne so blubbernd geklungen hatten!
    Unter breit gezogenem Grinsen setzte er das Instrument an, fasste mich ins Auge und ließ einen Luftorkan über das Mundloch fegen, der dem Instrument gar wunderbare Töne entlockte.
    Leider hatte er nicht an das zuvor vereinnahmte Schweinerne gedacht, dessen letzte Reste seine Zunge noch nicht von den Zähnen geschabt hatte, und zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir am eigenen Leib klar, warum die Querflöte von Kennern und Kritikern gleichermaßen als ›Spuckstock‹ bezeichnet wird.
    Kleingehacktes mit Senf schoss in hohem Bogen aus meiner Flöte und platzierte sich auf meinem Schoß. Pepe Plasma gab bekannt, dass der ›Böhmische Clown‹ heute nicht zur Aufführung gelange, und beendete den Soundcheck.
    Die Bühne leerte sich in wenigen Sekunden, denn ein Hornsignal – zweimal lang, viermal kurz, einmal lang – gespielt von einem der Flügelhornisten auf einem alten Naturhorn, lockte zum Catering.
    Im selben Atemzug füllte sich das Zelt. Die negative Presse, die auch überregional ausführlich über den während des letzten Konzerts unter merkwürdigen Umständen verblichenen Posaunisten Langfried Schieber berichtet hatte, sorgte dafür, dass sich zur großen Fangemeinde noch zahlreiche Neugierige gesellten, die während des Konzerts auf eine weitere Leiche hofften.
    »Ich stell’ dir mal noch ein paar von den Leuten vor«, sagte Heini Blättle und zog mich zu einer Gruppe von Musikanten, die sich im Cateringbereich versammelt hatten.
    So lernte ich einige meiner neuen Kollegen und eine Kollegin kennen, verkannte Talente und Könner ihres Fachs: Vlad Vell, einen bleichen, langhaarigen rumänischen Schlagzeuger mit unheimlichem Grinsen. Elvis-Leonid Vraungnechd, der sich selbst für einen der ganz unersetzlichen Trompeter hielt und wegen seiner gigantischen Pfeiftöne ›das Murmeltier‹ genannt wurde. Seine beiden Kollegen am Flügelhorn, Jantje van Faare aus Holland und Friedrich Clarence Drey aus dem Hotzenwald, den Waldhornisten Leo Laub, die blondierte Akkordeonistin Monika Haar, die neben mir saß, sowie Artur Wilhelm Fentil, den Tubisten aus dem Allgäu, den alle nur ›Buffalo Bill‹ nannten, weil er außer Allgäuer Rind vom eigenen Hof nur vegetarisch aß.
    Während ich noch dabei war, die vielen Namen zu sortieren und die Gesichter Instrumenten zuzuordnen, fand sich plötzlich einer der Musikanten neben mir ein und flüsterte mich vertraulich an. Ich grub in den Falten meiner Soundcheckerinnerungen und ordnete ihn als Terrorhornist ein.
    »Sie sind doch der berühmte Kommissar Zufall?«, raunte er, »von dem man so viel in der Zeitung liest?«
    Ich blickte in ein Gesicht, das die Oberfläche eines ausgetretenen Wanderpfads des Schwäbischen Albvereins widerspiegelte. Wie Trittsiegel von Pumastiefeln zeichneten sich tiefe Furchen auf den hängenden Wangen ab, die unter den Augen in Querrinnen mündeten und sich in mächtigen Falten auf der Stirn fortsetzten.
    Doch woher wusste er? Er gab mir die Antwort gleich selbst:
    »Constanze hat mir den Tipp gegeben. Ich weiß, Sie sind incognito hier. Ich bin Alibert Bratvogel, Tenorist.«
    Also hatte ich doch richtig geraten. Marterhorn! Ich blickte erneut in das faltenreiche Gesicht. Das schüttere Haar schien vor diesem entsetzt zurückzuweichen und gab der nackten Haut viel Platz an der Sonne. Eine Nase wie das Wurzelwerk einer alten deutschen Eiche ragte aus dieser Gesichtslandschaft markant hervor, und um den wulstigen Mund herum zeichnete sich der Ringabdruck des Tenorhornmundstücks wie ein rosaroter Kreis ab.
    Ungeachtet seiner Gesichtszüge, die ihn sicher älter aussehen ließen als er war – ich schätzte ihn auf Mitte 40 – hatte er einen für einen Musiker ungewöhnlich gut

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