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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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zwölf Tage nach der Schlacht auf vier russische Verwundete am Grund der Steinbruch-Schlucht.
    Die armen Kerle lagen unter einem vorspringenden Felsen. Auf die Frage, wie es ihnen gelungen sei, so lange weiterzuleben, deuteten sie zuerst zum Himmel, der ihnen Wasser geschickt und sie mit Mut erfüllt habe, und dann auf ein paar Stücke verschimmelten Schwarzbrots, die sie in den Beuteln der zahlreichen Toten um sie herum gefunden hätten.
    Einige der Toten wurden erst drei Monate später entdeckt. Sie lagen am Boden der Frühjahrsschlucht, wo sie steif gefroren waren und laut Cler starke Ähnlichkeit mit »vertrockneten Mumien« hatten. Der Franzose war überrascht über den Kontrast zwischen den russischen Opfern an der Alma, die »ein gesundes Aussehen hatten – ihre Kleidung, Unterwäsche und Schuhe waren sauber und in einem guten Zustand«, und den Toten von Inkerman, die »einen leidenden und erschöpften Eindruck machten«. 60
    Wie an der Alma wurde behauptet, dass die Russen Gräueltaten an den Briten und Franzosen begangen hätten. Angeblich hatten sie die auf dem Boden liegenden Verwundeten ausgeraubt und getötet ******* und manchmal sogar die Leichen verstümmelt. Britische und französische Soldaten machten die »Wildheit« der russischen Soldaten, denen gut mit Wodka eingeheizt worden sei, für solche Taten verantwortlich. »Sie kennen keine Schonung«, schrieb Hugh Drummond von den Scots Guards seinem Vater am 8. November, »und dies sollte bekannt gemacht werden, denn es ist ein Skandal für die Welt, dass Russland, das sich als zivilisierte Macht ausgibt, zu seiner Schande solche Akte der Barbarei verübt.« Ein anderer britischer Soldat beschrieb das »heimtückische Verhalten« der russischen Soldaten in seinen anonymen Erinnerungen:
    Im Schutz der Nacht erscheinen sie unerwartet wie Dämonen aus dem Nebel … Keuchend vor mörderischer Begierde (denn faire Kämpfe sind nicht ihr Ziel), gesegnet von unmenschlichen Priestern, unermessliche Beute erwartend, erregt durch geistige Getränke, ermutigt durch zwei ihrer Großfürsten … betrunken, rasend, jede böse Leidenschaft geweckt, fallen sie wild über unsere Soldaten her. Bei Inkerman sahen wir, wie russische Soldaten die zerfleischten Körper der verwundeten Alliierten mit Bajonetten durchbohrten, ihnen das Gehirn ausschlugen und wie Unholde auf ihnen herumsprangen, wo immer sie zu finden waren. Die von den Russen begangenen Grausamkeiten haben ihrer Nation Schmach eingebracht und sie für die ganze Welt zu einem Beispiel des Entsetzens und Abscheus werden lassen. 61
    In Wirklichkeit hatten diese Aktionen allerdings mehr mit religiöser Empörung zu tun. Als Raglan und Canrobert am 7. November in einem Schreiben an Menschikow gegen die Untaten protestierten, erwiderte der russische Oberbefehlshaber, die Morde seien durch die Zerstörung der Kirche des heiligen Wladimir in Chersonessos verursacht worden. Diese Kirche – durch welche die Stelle geweiht wurde, an der Großfürst Wladimir getauft worden war, wonach er die Kiewer Rus zum Christentum bekehrte – sei von den Franzosen geplündert und für deren Belagerungsvorbereitungen ausgeschlachtet worden. Diese Schändung der Kirche des heiligen Wladimir habe die »zutiefst religiösen Gefühle unserer Soldaten« verletzt, erklärte Menschikow in einem vom Zaren gebilligten Schreiben. Obendrein behauptete er, die Russen seien auf dem Schlachtfeld von Inkerman ihrerseits »Opfer« einer Reihe »blutiger Vergeltungstaten« durch englische Soldaten geworden. Manches davon räumte César de Bazancourt, der offizielle französische Historiker der Krimexpedition, in seinem Bericht von 1856 ein:
    Dicht an der Meeresküste, auf dem unebenen Boden, der … zur Quarantäne-Bucht hinunterführt, erhob sich die kleine Kirche des heiligen Wladimir. Einzelne Soldaten, kühner als die anderen, schlichen häufig über den gewellten Boden zu den Quarantäne-Einrichtungen, welche die Russen verlassen hatten, und nahmen von dort alles mit, was ihnen dienlich sein konnte … Diesen bereits schuldig gewordenen Soldaten folgten jene Marodeure, die in jeder Armee ungeachtet aller Gesetze und jeglicher Disziplin auf der Suche nach Beute herumstreifen. Ihnen gelang es, durch die Linie der Vorposten in der Nacht zu der kleinen Kirche vorzudringen, die dem Schutzheiligen von Russland geweiht ist.
    Mochten die Russen auch durch tief empfundene religiöse Gefühle zu Grausamkeiten getrieben worden sein, so steht gleichfalls

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