Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
wäre gewesen, dass wir uns im Schlamm suhlen.«
»Ja, und Sie haben gute Arbeit geleistet. Gott sei es gedankt, dass Sie so vorgegangen sind. Sie haben mir eine zweite Chance gegeben. Sie haben mein Kommando nach vorn gebracht, statt zuzusehen, wie es auf dem Rücken lag und nach oben starrte. Sie haben einer Menge Leute etwas zu essen gebracht. Zu diesen Anlässen haben Sie die richtige Entscheidung getroffen.« Der Colonel hielt Kris mit dem Blick gebannt. Seine Augen schauten noch genauso fordernd, aber nicht mehr so hart wie zu dem Zeitpunkt, als er ins Führerhaus gestiegen war.
»Diesmal habe ich die falsche Wahl getroffen.«
»Ja.«
»Aber wie soll ich wissen, wann ich richtig liege und wann ich eine Steilwand hinaufmöchte?«, wollte Kris wissen.
Der Colonel lehnte sich zurück und schnaubte. »Das ist die Frage, auf die jeder Ensign gern eine Antwort wüsste.«
»Und?«, beharrte Kris.
»Mit Glück haben Sie das gut im Griff, sobald Sie es zum Lieutenant geschafft haben. Und Sie sollten es verdammt lieber richtig gut drauf haben, sobald man anfängt, Ihnen Adler an den Kragen zu heften.«
Damit steigerte er nur Kris’ Verwirrung. »Sir, das beantwortet meine Frage nicht, oder?«
»Nein. Die Antwort müssen Sie selbst finden. Besser noch: die Antworten. Eine Menge Antworten existieren, von denen Sie denken, Sie wüssten sie, ohne dies jedoch wirklich zu tun.«
»Sir?« Das verwirrte sie nun richtig.
»Wer hat Präsident Urm umgebracht?«, wollte der Colonel mit leiser Stimme von Kris wissen.
Kris blinzelte und sprach den ersten Gedanken aus, der ihr in den Sinn kam. »Mein Uropa Ray.«
»Richtig, so stand es in allen Zeitungen. Kein einziges Geschichtsbuch widerspricht. Wie viel haben Sie über diesen Einsatz gelesen?«
»Sämtliche Bücher, denke ich. In der Stadtbibliothek hatten sie mehrere Regale voll mit Büchern über diesen Krieg, die ich gelesen habe, als ich dreizehn war.« Und langsam trocken wurde.
»Aber Sie haben nie den als geheim eingestuften Abschlussbericht des Armeegeheimdienstes gelesen, nicht wahr?«
»Vermutlich nicht, wenn ihn die Bibliothek nicht hatte.«
»Inzwischen haben Sie Zugriff darauf. Es ist alte Geschichte. Wenn Sie nächstes Mal ein abhörsicheres Terminal finden, rufen Sie ihn auf.«
Kris wollte es nicht später erfahren; sie musste es jetzt wissen. Sie wollte gerade Nelly anweisen, den Bericht auf jede erdenkliche Art und Weise zu beschaffen, da beugte sich Tommy vor und fragte den Colonel an ihr vorbei: »Colonel, was steht da drin?«
Der Colonel lachte leise, als ihm diese Frage aus unerwarteter Quelle gestellt wurde, aber er fuhr fort: »Da steht, dass Colonel Longknife und seine Gattin Rita zwei der mutigsten Menschen im Universum sein müssen. Sie durchquerten den halben von Menschen besiedelten Weltraum mit einer Bombe und schafften diese durch die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen, die es bis zur damaligen Zeit je gegeben hatte. Und sie taten dies in völliger Seelenruhe und gaben nie einen Hinweis auf das, was sie planten. Weder der Crew des Schiffs, mit dem sie fuhren, noch den Sicherheitsleuten, deren Absperrung sie durchquerten. Verdammt, das nenne ich Mumm!«
»Also haben sie tatsächlich Präsident Urm umgebracht«, sagte Kris.
»Es hat den Anschein. Ein paar Fragen blieben jedoch, die die Weicheier vom Geheimdienst nicht beantworten konnten, während sie den Bericht schrieben. Als Besucher erhielt der Colonel einen Platz, der so weit von Präsident Urms Podium entfernt war, wie es die Sicherheitsleute nur irgend hinbekamen. Trotzdem behauptet der Autopsiebericht, dass die Bombe dem Präsidenten direkt im Gesicht hochging. Manche Flechettes drangen vorn in den Schädel ein und traten beinahe hinten wieder aus.«
»Wie bekommt man eine Aktentasche direkt vor jemandes Nase?«, wollte Tommy wissen.
»Eine gute Frage.« Der Colonel lachte in sich hinein. »Eine bessere Frage lautet: Wie schafft man es, jemandem besagte Aktentasche vor die Nase zu halten und anschließend noch selbst davon erzählen zu können?«
»Aber Opa hat Hunderte Interviews über das Attentat gegeben. Und Sie sagen, er hätte sämtliche Reporter angelogen?«
»Ich habe viele dieser Interviews gelesen, junge Frau, und ich wette mit Ihnen, dass Ihr Opa keinem dieser Mediendummköpfe irgendeine Lüge erzählt hat. Falls man nie da draußen an einer Speerspitze gehangen hat, Kris, hat man auch keine Vorstellung von dem, was dort geschieht. Diese Reporter stellen die
Weitere Kostenlose Bücher