Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
dieFinger um die heiße Tasse und wünschte sich, dass die Wärme die Anspannung in Fingern und Handflächen lockerte.
»Wetten, dass Sie es gar nicht erwarten können, ein paar Erdschiffe ins Visier zu nehmen! Ich bin es so leid, das Schiff zu steuern und dabei nicht zu spüren, wie es sich tatsächlich bewegt. Sehen wir zu, dass wir endlich wirklich in die Schlacht fahren!«, krähte Addison.
»Noch sind wir nicht im Krieg«, gab Kris zu bedenken.
»Was ist los? Mögen Sie die Erde? Von dort aus kommandiert man uns seit achtzig Jahren herum. Es wird Zeit, der Erde zu zeigen, dass der Weltraum hier den Randwelten gehört.«
»Also werfen wir sie hinaus und gehen unserer eigenen Wege. Dafür brauchen wir keinen Krieg.«
»Denken Sie, dass die Erde uns einfach ziehen lässt? Ich habe gehört, dass sie dort jedes Schiff bezahlt haben wollen, das wir übernehmen. Jeweils den Preis für ein niegelnagelneues Produkt. Sogar für die Schiffe, für die wir selbst aufgekommen sind. Die Erdlinge sind doch hirntot.«
»Und nach einem Krieg sind eine Menge Leute richtig tot.«
»Was ist los, Longknife? Haben Sie Angst?«
»Addison, hat schon mal jemand mit einer geladenen Waffe auf sie gezielt?«
»Nein.« Jetzt entwich ihm ein Teil der Luft.
»Sobald Sie das zwei- oder dreimal erlebt haben, gebe ich Ihnen ein Bier aus und dann können wir unsere Notizen vergleichen. Bis dahin halten Sie besser die Klappe.« Kris beendete die Debatte und setzte ihren kalten Kaffee ab. »Gehen wir zurück.«
Der Skipper entließ sie an diesem Abend frühzeitig. »Nehmen Sie eine lange heiße Dusche. Schlafen Sie etwas. Wir springen morgen um neun Uhr früh ins Parissystem. Von da an könnte es spannend werden.«
Kris ging zu ihrer Unterkunft. »Nelly, welcher Sprung führt uns um neun Uhr früh ins Parissystem?«
»Kilo«, antwortete der Computer.
»Hast du irgendwelche Nachrichten empfangen?«
»Nein. Wir waren zu weit entfernt von menschenbesiedelten Welten.«
Die Schiffe des Geschwaders folgten einander durch die Sprungpunkte, ohne dass Bojen zum Einsatz kamen. Natürlich dürfte so weit vom Menschenraum entfernt keinerlei Risiko bestehen, auf ein Schiff zu stoßen, das in Gegenrichtung fuhr. Keinem Menschenschiff. Klar doch. Das war mehr als nur merkwürdig.
»Kris«, sagte Nelly langsam, »du hattest mich angewiesen, selbst zu suchen und dir Bescheid zu sagen, wenn ich etwas finde, das keinem mir vertrauten Schema entspricht.«
»Ja.«
»Gleich nachdem der Kommunikationsoffizier sich mit dem Captain getroffen hatte, lud er einige neue Programme hoch, die nicht aktiv sind und deren Zweck sich mir nicht erschließt.«
»Etwas, das der Gefechtsbereitschaft dient?«, fragte Kris.
»Ich verfüge über eine Liste sämtlicher Programme, die hochgeladen werden, sobald der Kriegszustand ausgerufen wird. Diese neuen Programme gehören nicht dazu. Ich kann auch keinerlei Schnittstelle zu dieser Software herstellen.«
»Aber sie läuft nicht?«
»Nein, sie sitzt nur im Speicher.«
»Sag mir Bescheid, sobald sie irgendetwas tut.«
»Das mache ich.«
Kris grub sich die Knöchel beider Hände in die Augenwinkel und versuchte, die Erschöpfung wegzureiben. Ihr Gehirn fühlte sich halbtot an. All das musste irgendetwas zu bedeuten haben. Welchen Grund konnten Vater oder Opa Ray gehabt haben, Angriffsgeschwader sechs auf einem solchen Umweg nach Paris zu schicken? Warum nur konnten sie wollen, dass ihre besten Schiffe direkt neben dem Schlachtgeschwader der Erde in jenesSystem sprangen? Daneben oder dahinter? Vorausgesetzt, dass die Erdschiffe schon vor einer Weile dort eingetroffen waren, hatten sie bestimmt ein Stück weit das System durchquert, um die Randweltengeschwader zu treffen und das zu tun, wozu immer sie gekommen waren. Wie holte man an Bord eines Raumschiffs eine Flagge ein?
Kris sah ein Bild vor dem geistigen Auge, wie Admirals in Raumanzügen Haltung annahmen, während irgendein armer Spacer das Emblem der blauen und grünen Flagge vom Bug eines Schiffs kratzte. Mädchen, du bist völlig fertig! Eine Dusche half nicht. Sie kippte ins Bett und schlief sofort ein.
»Ma’am, schlafen Sie?«, fragte Bo hundert Jahre später.
»Das habe ich. Irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, schätze ich. Was Sie dem Corporal sagten, das war nett. Ich denke, es hat seine Last um zehn Tonnen Furcht gemindert.«
»Wie schön«, sagte Kris und zog die Decke hoch.
»Man erzählt sich, dass wir morgen früh am Ziel sind.«
»Ja.«
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