Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
Meinung?«
»Nein, aber ich verstehe sie. Ich frage mich auch, ob die Navy vielleicht zwei oder drei Bataillone nach Darkunder geschickt hätte, wenn die Menge es nicht für klug gehalten hätte, zeitig wieder nach Hause zu gehen, ehe irgendetwas außer Kontrolle geriet. Jedenfalls wurde Hancock vom Gericht freigesprochen, aber du siehst ja, welchen Auftrag er als Nächstes erhielt.«
»Ja schon, aber ich verstehe es nicht.«
»Die Lamettaträger möchten ihn nicht hängen, weil die Zivilisten ihn gehängt sehen möchten. Man möchte aber auch vermeiden, dass andere Offiziere den Trugschluss ziehen, sie könnten mit solchen Fehlschlägen durchkommen. Weil er nicht genug Ehre aufbrachte, um den Dienst zu quittieren, reibt man ihm hier unter die Nase, dass er ein Versager ist.«
Tom sah sich auf dem Stützpunkt um. »Sieht auch ganz danach aus.«
»Und ich vermute, dass es nur noch schlimmer wird. Auf dem College habe ich mal einen Beitrag über Führungsfähigkeit von Opa Trouble gelesen. Er hatte darin viel zu sagen, aber mir ist seine Idee haften geblieben, dass Menschenführung auf Glaube beruht, vielleicht gar auf Illusion.«
»Glaube? Illusion?« Tom klang nicht überzeugt.
»Als Befehlshaber musste du glauben, dass du am besten geeignet bist, das Kommando zu führen, dass du den Einsatz mit weniger Verlusten, weniger Leid und insgesamt besser ausführen kannst als irgendjemand sonst. Und deine Soldaten müssen dasselbe glauben. Selbst wenn es nicht so ist, müssen alle die Illusion schlucken, dass es so ist.«
Tom schüttelte den Kopf. »Hier gibt es keine Illusionen.«
»Richtig«, pflichtete ihm Kris bei. »Und das trägt mehr als der Regen dazu bei, die Lage hier zur Hölle zu machen.«
»Was werden wir unternehmen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Kris langsam. »Na ja, doch. Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen hier nicht verhungern. Darüber hinaus müssen wir abwarten und sehen.«
»Warum beunruhigt mich die Vorstellung so sehr, darauf zu warten, was ein Ensign Longknife tun wird?«
»Oh, du hast noch gar nichts Beunruhigendes gesehen, Tommy, mein Junge. Was sagst du dazu, wenn wir jetzt zusehen, dass wir aus dem Regen kommen?«
Als sie zurück auf ihrer Stube war, sah Kris sich dort kurz um. Übliches Arrangement für ein Hotelzimmer: Bad mit Dusche, Schlafzimmer mit Wandschrank, Sessel, Tisch und ein schön aussehendes Bett. Solange also die hoteleigene Strom- und Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung funktionierten, war für Kris’ persönliche Dinge Sorge getragen. Ihre Reisetasche stand in einer Pfütze auf dem klatschnassen Teppich. Sie schleppte sie ins Bad; der größte Teil des Inhalts war durchweicht. Einen Augenblick lang überlegte sie, dem Hotelpersonal das Aufräumen zu überlassen. Der Schimmel auf den Fliesen verriet jedoch, dass hier keinerlei Personal darauf wartete, Kris’ Launen zu dienen, egal mit wie viel Trinkgeld sie lockte.
Mit einem schiefen Lächeln jagte Kris ihren Kampfanzug durch Waschmaschine, Trockner und Bügelautomat im Bad. Sie fragte sich, wie viele andere Debütanten auf Wardhaven eigenhändig die Wäsche machen konnten. Es blieben jedoch Dinge zu erledigen, während ihre Hände beschäftigt waren. Dass sienach einer Karte hatte fragen müssen, um das eigene Lager zu finden, erschien ihr lächerlich. »Nelly, hat Sam dir irgendwelche Routinen übermittelt, ehe wir aufbrachen?«
»Mehrere.«
»Kannst du dich mit dem Militärsystem synchronisieren?«
»Ich verfüge über mehrere Routinen, die das möglich machen.«
»Sieh mal zu, ob du das hiesige Militärnetz anzapfen kannst.«
»Suche läuft«, sagte Nelly folgsam und vielleicht ein klein bisschen enthusiastisch, falls Kris den Tonfall ihrer KI deuten konnte. Als sie ihre Freizeitkhakis und eine Galauniform so weit hatte, sie aufzuhängen, und sich fragte, warum sie nicht dem Rat des Warrant Officers gefolgt war und beides zu Hause gelassen hatte, überhitzte sich der Bügelautomat auch schon und drohte, ihr die Finger zu versengen. Nelly wählte diesen Augenblick für die Meldung: »Ich habe jetzt Zugang.«
»Nelly, kannst du die Lampen auf dem Lagergelände abschalten?«
»Ja.«
Kris überlegte kurz. »Schalte sie um zwei Uhr Ortszeit aus. Das müsste den Leuten, die in Not sind, genug Zeit geben. Kannst du die Lagerhäuser abschließen?« Kris nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihre nasse Uniform auszuziehen und in die Dusche zu hängen, und stellte dann ihre nassen Stiefel
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