Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
frischgebackene Navy-Frau senkte den Blick auf die Waffe. »Oh.« Sie wedelte unsicher damit in Richtung der Gefangenen.
»Ihr da im Sumpf, kommt langsam auf die Straße!«, befahl Kris. »Keine abrupte Bewegung. Ihr auf der Straße, kommt in die Straßenmitte und legt euch dort hin.«
Kris warf einen Blick ins Führerhaus des Lkw. Tom zog gerade erst seine Waffe aus dem Holster an der Tür. Der Möchtegernheld und sein Freund waren erstarrt, Blick und Waffen auf die linke Seite der Straße gerichtet. Sie taten jedoch nichts.
»Alles okay mit Ihnen?«, fragte Kris. Als sie nicht reagierten, wiederholte sie: »Sind Sie dort okay?« Der angehende Held blinzelte zweimal … und erbrach sich heftig.
Vom hinteren Ende des Konvois näherten sich zwei Marines mit schussbereiten Waffen. Wenigstens sie schienen in der Grundausbildung gelernt zu haben, wie man sein Gewehr entsicherte. »Sichern Sie diese Seite!«, rief sie ihnen zu. Sie schwenkten zur Bestätigung die Fäuste.
Als sich Kris der linken Flanke des Konvois zuwandte, sah sie dort drei Marines aufrücken und dabei die langsam dahintappenden Gefangenen in Schach halten.
»Den habe ich erwischt«, gluckste ein Marine.
»Nein, das war ich«, widersprach ihm der Nebenmann.
»Nein, ich habe auf diesen Haufen zwischen den Bäumen geschossen.« Der Marine deutete auf eine Baumgruppe. Eine Leiche lag dort mit dem Rücken über einem Baumstumpf.
»Ich ebenfalls, Kumpel. Und ich war es, der ihn erwischt hat.«
»Sie beide haben ihn erwischt«, schnitt ihnen Kris das Wort ab. »Halten Sie die anderen in Schach. Ich möchte nicht, dass uns jemand entwischt.«
Ein Gefangener wählte exakt diesen Augenblick, um zu stolpern. Er stürzte platschend in den Sumpf. Kris wartete darauf, dass er wieder aufstand, aber das tat er nicht. Sie schaltete auf Wärmesicht und suchte das Wasser ab, aber der Eindruck war zu durchwachsen, um ihr ein Ziel aufzuzeigen.
»Ich denke, einer von ihnen entwischt gerade«, stellte Tom fest, während er aus dem Lkw stieg.
Kris blickte finster. »Ihr Gefangenen, seid ja vorsichtig! Der Nächste, der stolpert, wird noch im Fallen erschossen.«
»Aber sie sind unbewaffnet!«, wandte der weibliche Spacer hinter Kris ein.
»Sie versuchen zu fliehen«, gab Kris zu bedenken. »Und solange wir sie nicht durchsucht haben, wissen wir nicht, wer unbewaffnet ist. Ihr Spacer da in den Lkw, steigt aus! Ich brauche Hilfe dabei, die Gefangenen nach Waffen abzutasten.« Die restlichen Soldaten stiegen jetzt aus. Sie nahmen zwar ihre Waffen mit, aber die Hälfte von ihnen hatte sie noch gar nicht entsichert. Die meisten Waffen machten gar nicht den Eindruck, einer Reinigung zu bedürfen. Jetzt wurde Kris erst bewusst, warum der Kampf so vergleichsweise leise verlaufen war. Sie und die Marines hatten als Einzige geschossen. Sie und die bösen Jungs.
Zu zweit schritten die Navy-Rekruten jetzt die sich langsam bildende Linie der Gefangenen ab. Während einer jeweils die kniende Gestalt in Schach hielt, filzte der andere sie und stellte sicher, dass niemand mehr eine Waffe trug. »He, da haben wir ein Mädchen!«, rief ein Spacer und wich zwei Schritte von der verdreckten Gestalt zurück, die er gerade abzutasten begonnen hatte. Die Reaktion der Frau darauf war alles andere als damenhaft.
Kris winkte eine Navy-Frau herbei, um diese Gefangene zufilzen, und betrachtete den langsam wachsenden Stapel an beschlagnahmter Ausrüstung. Keine Kommunikationsgeräte, keine Computer; reichlich Messer und gewöhnlich eine Schusswaffe pro Person. Wenig Munition allerdings. Die Gefangenen wirkten, sobald sie in den meisten Fällen bis auf die Unterhosen entkleidet waren, dünn und hungrig. Nicht so ausgemergelt wie die Menschen auf den Farmen, aber selbst die Bösen erwiesen sich als knapp an Rationen. Auch böse Mädchen darunter. Vier der vierzehn Personen waren weiblich.
Kris wandte sich jetzt von den lebenden Gefangenen ab und betrachtete die Toten. Hinter der Straßenblockade lagen zwei, und die Insekten hatten bereits ihren Festschmaus begonnen. Kris schluckte schwer, damit der eigene Magen dort blieb, wohin er gehörte. Ein Gesicht war im Tode verzerrt. Wut, Zorn, Qual? Kris hätte es nicht sagen können, und von den Toten konnte sie auch keine Antwort erwarten. Die nächste Leiche schien auf der Seite zu schlafen, still zusammengerollt wie ein Kind; der Mann trug als Einziger einen Kommlink. Der dritte Gewehrschütze war nicht mehr da, und nur eine Blutlache
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