Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
verriet, dass er angeschossen worden war. Auf einem Lkw versorgte gerade ein Sanitäter seine Verletzungen. Wenn er baumelte, dann in guter Verfassung.
Kris stieg wieder zur Straße hinauf. Zwei weitere Leichen lagen zwischen Graben und Straßenbettung. »Du und du!« Sie deutete auf zwei Gefangene, die jüngsten unter ihnen, Jungen von kaum mehr als vierzehn, fünfzehn Jahren. »Nehmt diese Leichen. Hängt sie kopfunter an diese Bäume«, sagte sie und deutete auf die vier Bäume direkt neben dem frisch gehauenen Stumpf.
Tom stand einen Augenblick später an ihrer Seite. »Es ist nicht recht, die Toten zu entehren.«
»Und sie hier liegen zu lassen, um von allem gefressen zu werden, was immer des Weges kommt, ist das vielleicht besser,als sie zur Warnung für andere dort hinzuhängen? Wir nehmen uns jetzt nicht die Zeit, um Gräber auszuheben und sie zu bestatten.« Sie blickte in beide Richtungen die Straße entlang. »Man kann hier ohnehin nirgendwo graben.«
Trotzdem schüttelte Tom den Kopf. »Kris, das überschreitet alle Grenzen.«
»Ihr zwei, tut sofort, was ich euch befohlen habe. Marine, sorgen Sie dafür, dass die beiden meine Befehle ausführen.« Der angesprochene Marine motivierte die beiden Jungen mit dem Gewehr, auf die Beine zu kommen. Sie waren schon vorher totenbleich geworden. Jetzt waren sie gespenstisch weiß. Das Weiß entsetzter Gespenster.
Kris drehte sich zu Tom um. »Fesselt den lebenden Gefangenen die Hände und packt sie auf die Lkw. Sobald sie dort liegen, bindet ihre Füße an einem Fahrzeugteil fest. Ich lasse nicht zu, dass mir einer von ihnen entkommt.«
»Ja, Ma’am.« Tom nahm zackig eine Karikatur von Haltung an, parodierte einen militärischen Gruß und stampfte los, um die Befehle auszuführen.
»Und schick mir alles an Klebeband und Seil, was du übrig hast!«, rief ihm Kris nach. Wenn überhaupt möglich, stampfte Tom noch fester. Eine halbe Stunde später fuhr der Konvoi langsam an der schonungslosen Nachricht vorbei, die Kris den Sumpfbewohnern zurückließ: Eine neue Mannschaft hat das Feld betreten. Verschwindet, ehe ihr wie diese hier endet!
Zumindest hoffte Kris, dass das Signal entsprechend gedeutet wurde.
Die nächste Farm auf ihrer Liste war bar jeden Lebens. Ein paar Leichen lagen immer noch dort, wo sie gestorben waren oder wo man sie abgeladen hatte. »Schätze, das passiert einer Farm, die sich gewehrt hat«, bemerkte Kris trocken gegenüber Tom, während sie langsam über den Vorhof der Farm fuhren.
»Vielleicht ist sie gar nicht so ein Miststück?«, brummte jemand über ein eingeschaltetes Mikro. Kris beschloss, die Worte zu überhören.
Auf der nächsten Farm herrschte eine ähnliche Lage wie auf der ersten. Kris verteilte die Lebensmittel rasch. Weder fragte sie die Menschen, wie sie in diese Zwangslage geraten waren, noch hörte sie sich die lautlosen Schreie hinter trockenen Augen an. Sie ließ allerdings auch nicht zu, dass irgendeiner der Soldaten den Gefangenen lange genug den Rücken zukehrte, damit die Farmer mal eben Rache üben konnten. »Es sind Gefangene der Navy. Ich übergebe sie den Behörden in Port Athens. Dort erhalten Sie Ihre Gerechtigkeit!«, blaffte sie die messerschwingende Ehefrau das Farmbesitzers an, die von einem der Lkw weggezerrt werden musste.
»Denken Sie, dass Sie sie dorthin bringen können?«, fragte der Ehemann sie.
»Ich habe sie festgenommen. Ich behalte sie.«
»Viel Glück. Sie wissen ja, dass es nicht die einzige Bande da draußen ist.«
»Wie viele?«
»Ein paar hundert.«
»Wer sind sie?«, fragte Tom. »Was hat sie auf die schiefe Bahn gebracht?«
»Fragen Sie sie!«, fauchte der Farmer.
Zwei Farmen später saßen die Lkw schon höher auf den Achsen, aber Kris hatte kein bisschen mehr Einblick in die Dynamik dessen gewonnen, was den einen zu einem Killer machte und jemand anderen zu einem hungernden Opfer. Das gefiel ihr nicht.
Sie entwickelte auch ein böses Gefühl, was den Rückweg nach Port Athens anbetraf.
Die letzte Farm war die kleinste auf ihrer Liste, aber dort lebten dreimal so viele Menschen wie auf jeder anderen. Sie kamen ihr weniger mitgenommen vor; zumindest erfolgte kein Versuch, ihre Gefangenen zu erstechen. Zwei Frauen gingen sogarvon einem Gefangenen zum nächsten und gaben ihnen jeweils einen Schluck Wasser und einen Bissen von den Rationen.
Der Besitzer war ein schlaksiger Mann mittleren Alters, der sich abseits hielt, während seine Leute von sich aus die schnelle
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