Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
direkt daneben. Wenn sie die Waffe entsicherte, verschoss sie Schlafpfeile. Wenn sie den Schalter noch einen Klick weiter drehte, wurde es tödlich. Kris beließ die Einstellung vorläufig bei den Schlafpfeilen.
Dabei würde es nicht bleiben. In dieser Nacht brachte sie entweder jemanden um – oder wurde umgebracht. Kris drehte und wendete den Gedanken. Ihr Magen revoltierte; ihr Herz wurde kalt. Sie hatte sich noch nie in einer Er-oder-ich-Situation wiedergefunden. Doch Sandfire wünschte ihr auf die schlimmste Weise den Tod. Sie hingegen atmete gern. Irgendwann wollte sie vielleicht sogar eine Familie haben. Wenn ich es heute Abend richtig mache, bleibt die Option erhalten. Wenn ich es vermassele, wenn ich dulde, dass Sandfire gewinnt, kostet es mich das Leben.
Kris steckte die kleine Automatik ins Holster am rechten Schenkel, justierte den Rock und richtete sich auf. »Gehen wir.«
»Warte, bis ich noch ein paar Sachen geklärt habe. Ich bin gleich bei dir.«
Kris öffnete die Tür ihres Zimmers. Draußen erwartete sie Tom, noch immer in Galauniform. Lächelnd brachte er zwei Dienstpistolen zum Vorschein. Penny an seiner Seite war ähnlich aufgemacht, trug allerdings eine weiße Galauniformhose anstelle des normalerweise verlangten langen Rocks. Die Uniformjacke war von ausreichend weitem Schnitt, um die vollautomatische Pistole zu tarnen. Jack stand ungerührt an ihrer Seite und war ganz der bekannte freundlich-tödliche Zeitgenosse.
»Sind wir so weit?«, fragte Kris.
»Sieht so aus.«
»So bereit, wie wir je sein werden.«
Und Jack sagte schlicht: »Ja.«
»Was steht draußen an Wache?«
»Ich habe dem Sergeant erklärt, wir blieben über Nacht in der Suite. Er hat die Hälfte seiner Leute entlassen.«
»Das Top of Turantic haben wir schon evakuiert. Nelly, weise die Naniten in der Werft an, sie sollen die Transformatoren kurzschließen.«
»Wir können vier ausschalten und verfügen dann immer noch über die Kommandonaniten und ein paar Verteidiger für den Zeitpunkt, an dem die Staubwolke ihren Auftritt hat.«
»Mach es so, Nelly. Und rufe deine Sicherheitsnaniten für die Suite herbei. Lasse keine zurück. Sie könnten sich als nützlich erweisen.«
Jack blickte auf sein Armbandmodul. »Fünf Minuten?«
»Wahrscheinlich eher. Sandfire reagiert schnell«, sagte Kris.
Abby gesellte sich zu ihnen; zwölf Koffer rollten ihr nach.
»Brauchen wir die?«, knurrte Jack.
»Wenn wir sie verlieren, weine ich ihnen keine Träne nach, aber wozu das alles ohne Not aufgeben?«, entgegnete Abby mit schlichter Logik.
Eine Minute kroch vorbei.
Kris setzte sich in ihren Sessel. Die anderen fanden ihre eigenen Plätze.
Die nächste Minute dauerte länger. Kris hatte sich festgelegt. Irgendwo auf dieser Raumstation blinkte oder lärmte ein Alarmsignal und schrie heraus, dass ein umfangreicher Signalstrom aus Kris’ Suite in die Werft vorgedrungen war. Es hätte nichts gebracht, es sich noch einmal anders zu überlegen. In dieser Nacht bekamen entweder Kris oder Sandfire das, was sie wollten. Kein politischer Kompromiss, keine Begegnung auf halbem Wege. Deshalb hatte sich Kris auch für die Navy entschieden anstatt für Vater und seine Politik. Damals war ihr die Klarheit der Alternative zwischen Leben und Tod besser erschienen, als sichmit lauen Kompromissen zu begnügen. Mit weniger als dem, was man eigentlich wollte.
Vielleicht hatte Vaters Position etwas für sich.
Falls ich hier herauskomme, werde ich mich mal mit meinem alten Herrn zusammensetzen, versprach sich Kris.
»Kris, im Sicherheitsnetz herrscht jetzt starker Datenverkehr.«
Kris stand auf. »Jack, bitte lade unsere Wachleute in die Suite ein.«
Jack legte rasch die Distanz zur Tür zurück und blieb stehen. »Es wäre vielleicht besser, wenn wir hier wirklich ein Feuer hätten«, sagte er.
»Richtig«, sagte Kris. »Abby, schaffe diese Kisten in Jacks Zimmer.«
Während die Kammerdienerin der Aufforderung nachkam, legte Kris die vier Schritte zu ihrer Zimmertür zurück und zog einen Zylinder aus der Rocktasche. Einen mit rotem Streifen. Großer Knall. Nimm dies, du Drehbuchautor! »Volle Deckung!«, rief sie, warf die Granate nach ihrer Badewanne und duckte sich an die Wand.
Drei deutlich wahrnehmbare Sekunden später explodierte das Badezimmer.
Jack wartete eine weitere Sekunde ab und riss die Außentür auf. An der Wand gegenüber saßen zwei Mann auf Stühlen, und einer schnarchte. Jack brüllte: »Feuer!«
Beide fuhren
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