Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
zu sein. Trotzdem schluckte sie die Ablehnung herunter, die ihr schon entweichen wollte. Wie oft hatte ihr Vater gesagt: »Wenn du nicht umhin kannst, etwas zu tun, was du verabscheust, dann tust du es am besten mit Würde. Betrachte es wie den Versuch, ein tosendes Wildwasser zu durchqueren. Es wäre töricht, gegen den Strom zu schwimmen.« Schon mit fünf hatte Kris, als sie diese Lektion zum ersten Mal erhielt, keine Vorstellung davon entwickeln können, wie ihr Vater ein tosendes Wildwasser durchquerte. Immerhin zeichnete sich auch die Politik durch zahlreiche, plötzlich auftretende und schnelle Strömungen aus, und Vater gelangte immer an den Punkt, der ihm von Anfang an vorgeschwebt hatte. Vielleicht war jetzt die richtige Zeit, um ein Stück weit mit dem Strom zu schwimmen, während sie wie der Teufel paddelte, um außer Sicht zu gelangen. Kris zeigte dem Botschafter ein Stirnrunzeln, während sie mit einem Dutzend Gedanken zugleich jonglierte. Jemand tat sein Äußerstes, um sie hier festzuhalten. Wie konnte sie diesen »Gefallen« erwidern?
»Herr Botschafter, ich war nicht auf eine volle Runde förmlicher Anlässe vorbereitet, als ich hier angereist bin«, begann Kris. Abby schüttelte den Kopf und gestattete sich gerade mal den Anflug eines Lächelns. »Vermutlich könnte ich jedoch etwas improvisieren«, setzte Kris hinzu. Darauf reagierte Abby tief beleidigt und rauschte verärgert in Kris’ Zimmer ab. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie arrangieren könnten, dass der Gastgeber der heutigen Gala mich persönlich einlädt. Da sindSicherheitsfragen zu klären.« Sie warf einen Blick auf Jack. Er schüttelte seufzend den Kopf. Kris vermutete, dass ihr Schutz im Gedränge eines Balles das Letzte war, von dem er unter den gegebenen Umständen glaubte, es allein gewährleisten zu können.
»Ich freue mich, Ihre Offenheit für eine Einladung an Mr Sandfire weitergeben zu dürfen. Er dachte, dass Sie ein Unterhaltungsprogramm vielleicht gut gebrauchen können«, begeisterte sich der Botschafter.
Bei dem Namen Sandfire waren Tommy und Penny auf den Beinen und zeigten eine Bandbreite an Emotionen, die jedem Schauspieler zu höchsten Ehren gereicht hätte. Kris fror die eigene Miene ein. Also glaubte Sandfire, dass sie sich heute Morgen vielleicht langweilte. Und dass sie nicht abreisen konnte. Schätze, dass ich Tom gar nicht so schnell rausgeholt habe.
»Falls Sie auf dem Ball heute Abend erscheinen können«, fuhr der Botschafter fort, »kann ich vielleicht weitere Einladungen arrangieren. Sandfire sprach davon, dass niemand wisse, wie lange diese Quarantäne womöglich bestehen bleibt. Am kommenden Wochenende findet die alljährliche Yachtenregatta statt, und ich habe gehört, dass Sie einen ordentlichen Segeltörn sehr zu schätzen wissen.«
Tommys Hautfarbe spielte jetzt ins Grüne. Kris liebte es zu segeln. Trotzdem durfte sie sich nicht ablenken lassen. »Herr Botschafter, dies ist kein formeller Besuch …«, begann sie.
»Ich verstehe, Eure Hoheit«, unterbrach sie der Botschafter und stockte; zunächst erschrocken von der eigenen Unverfrorenheit, redete er dann jedoch weiter. »Sie müssen verstehen, Prinzessin Kristine, dass für die unmittelbare Zukunft Wahlen angesetzt sind. Viele Menschen hier denken gern an die früheren Beziehungen zu Wardhaven zurück. Andere wiederum sind bestrebt, diese Beziehungen zu schädigen, wenn nicht sogar, sie ganz zu zerstören. Es widerstrebt mir, meine Wahlheimat in, äh,Schwierigkeiten mit meiner Heimatwelt wiederzufinden. Sicher verstehen Sie, mit welchem Problem wir uns hier konfrontiert finden.«
»Ich habe in kurzer Folge eine Menge gelernt«, entgegnete Kris trocken.
»Wir können offiziell nur wenig unternehmen, seit wir Ausländer sind«, fuhr der Botschafter rasch fort. »Allerdings habe ich die Bedeutung gesellschaftlicher Verbindungen noch nie unterschätzt. Viele meiner Freunde haben ein persönliches Interesse an Ihnen bekundet, sowohl als einer Longknife als auch einer Prinzessin. Was Sie da alles erreichen könnten …«, schloss er mit einem ausdrucksstarken Achselzucken.
Etwas in Kris hätte gern dagegen protestiert, dass Lieutenant Junior Grade Longknife nicht angesprochen worden war. Sie knallte jedoch sofort den Deckel darauf und dachte über das Angebot an sich nach. Jemand hatte ihr die Abreise unmöglich gemacht. Sie konnte nun wutschnaubend auf ihrem Hintern sitzen, oder sie zog los und unternahm etwas; am besten etwas, das Mr
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