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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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»Wir sind so weit gekommen und werden jetzt nicht mehr umkehren« zum Thron geführt. Seine Nähe hatte ihr die Kraft gegeben, den Raum zu durchqueren. Die Zuversicht aber, die sie noch bis vor Kurzem gespürt hatte, war nicht zurückgekehrt. Instinktiv spürte sie, dass sie hier falsch war, dass sich ihre Hoffnungen hier nicht erfüllen würden. Aber Jamak hatte recht, sie waren so weit gekommen und mussten es wenigstens versuchen.
    »Mein Herr …«, hob sie mit dünner Stimme an.
    »Ich bin dein König, nicht dein Herr.« Azenors scharfer Tonfall ließ Noelani innerlich zusammenzucken. Sie hatte nur zwei Worte gesagt und schon alles falsch gemacht. Das unheilvolle Gefühl verstärkte sich; die Worte weckten aber auch noch etwas anderes in ihr: Ehrgeiz, Stolz und Trotz. Für wenige Herzschläge schwieg sie, unsicher, ob sie sich von den mächtigen Gefühlsregungen leiten lassen oder lieber zurückstecken sollte. Dann nahm sie all ihren Mut und das verbliebene Selbstbewusstsein zusammen, hob den Kopf, um den Blick der eisblauen Augen zu erwidern, und sagte mit klarer Stimme. »Du bist der König dieses Landes. Der meine bist du nicht!«
    Sie hörte, wie Jamak hinter ihr nach Luft schnappte, sah, wie der General überrascht sein gesundes Auge aufriss, und wappnete sich innerlich gegen einen möglichen Wutausbruch des Königs. Doch dieser zog trotz der kühnen Worte nur leicht eine Augenbraue in die Höhe und fragte: »Und wer … ist dein König?«
    Noelani wollte antworten, aber Samui war schneller: »Es gibt keinen«, rief er ungefragt aus, Noelanis Blick ignorierend, die ihn erbost anstarrte. »Sie ist selbst eine Königin.«
    »Ist das wahr?« Azenors Blick ruhte nun wieder auf Noelani. Seine Stimme war ruhig, aber es schwang etwas darin mit, das Noelani an eine lauernde Raubkatze erinnerte, und so wählte sie ihre Antwort mit Bedacht: »In meinem Volk gibt es weder Könige noch Königinnen«, sagte sie. »Ich bin die Maor-Say.«
    »Volk?«, hakte Azenor nach. »Welches Volk? Hier gibt es nur ein Volk, das Volk von Baha-Uddin. Von einer Maor-Say habe ich noch nie etwas gehört.«
    »Wir stammen nicht von hier«, erklärte Noelani ruhig, um den König nicht weiter zu verärgern. »Unsere Heimat ist die Insel Nintau, weit draußen auf dem Meer. Aber sie wurde zerstört, und wir mussten fliehen …«
    »Eine Insel …« Nachdenklich hob Azenor die Hand ans Kinn. Für endlose Augenblicke herrschte Stille im Thronsaal. Dann fragte er: »Wann wurde sie zerstört, warum und wodurch? Und wie seid ihr hierhergekommen?« Je länger er sprach, desto mehr wich der lauernde Unterton in seiner Stimme einem aufrichtigen Interesse. Sein Blick war nicht mehr stechend, sondern aufmerksam. Es war, als liefe ein Aufatmen durch das Gewölbe. Noelani konnte förmlich spüren, wie die Spannung, die alle im Raum erfasst hatte, wich und fühlte sich etwas freier. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte sie.
    »Die ich hören will.« Azenor erhob sich von seinem Thron und deutete auf eine Tafel, wo mehrere gepolsterte Stühle um einen wuchtigen Tisch aus dunklem Holz bereitstanden. »Kommt, lasst uns dort weiterreden.« Er nickte Noelani zu, grinste und sagte: »Eine Königin sollte wahrlich nicht auf dem kalten Boden knien.«
    Eine halbe Stunde später hatte Noelani dem König alles berichtet. Von dem abgeschiedenen Leben, das ihr Volk über Generationen hinweg geführt hatte, von dem giftigen Nebel, der fast alle getötet hatte, von der Flucht über den Ozean und von dem Sturm, den nur wenige überlebt hatten. Sie hatte von dem Schiff aus Hanter berichtet, das sie gerettet und nahe der Hauptstadt an Land gesetzt hatte, weil der Kapitän sie für Flüchtlinge aus Baha-Uddin hielt, und auch nicht verschwiegen, dass noch etwa einhundertdreißig Flüchtlinge ihres Volkes am Strand auf Hilfe warteten. Einer plötzlichen Eingebung folgend, blieb sie bei den alten Legenden und behauptete, der tödliche Nebel sei der Atem eines Dämons gewesen, der Nintau heimgesucht hatte. Dass dies eine Lüge war, mit der sie viele Jahrzehnte lang gelebt hatten, erwähnte sie nicht.
    »Wir haben alles verloren«, schloss sie ihren Bericht. »Unsere Heimat, unsere Familien, unser Hab und Gut – alles. Wir sind Entwurzelte auf der Suche nach einem Land, in dem wir ein ruhiges und friedliches Leben beginnen und die Schrecken der Vergangenheit vielleicht irgendwann einmal vergessen können.« Sie verstummte kurz und fügte dann noch hinzu: »Ich bin die

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