Kristall der Träume
erschrocken.
Ich konnte mir das einfach nicht erklären.«
»Dein Vater war dein Held und entpuppte sich als einfacher Mensch.«
»Aber er bestraft dich immer wieder. Lass es nicht zu, Mutter.
Gib ihm, was er will, und du bist frei.«
Amelia schüttelte den Kopf. »Wenn ich Cornelius gebe, was er fordert, werde ich nie frei sein.«
»O doch, das wirst du! Ich helfe dir! Er kann uns nicht beide verurteilen, Mutter! « Cornelia wurde immer erregter. »Es ist ja gar nicht Nero! Nur Papa tut dir das an! «
»Meine Tochter, hör mir zu. Es geht weder um Nero, um ein Stadion voller Menschen oder um einen einzigen Mann. Ich kann meinen Glauben nicht aufgeben.«
Cornelia fiel vor ihrer Mutter auf die Knie und vergrub weinend das Gesicht in ihrem Schoß. Während Amelia das Haar der Tochter streichelte, staunte sie aufs Neue darüber, dass sie noch vor zwei Jahren, als Cornelia ihr erstes Kind gebar, eine ungläubige Frau gewesen war. Jetzt hatte sie Glauben im Überfluss, den sie gern mit ihrer Tochter geteilt hätte, um ihr Hoffnung zu machen. »Geh jetzt, mein Kind«, murmelte sie. »Kümmere dich um die Familie. Und behandle den kleinen Lucius wie deinen Bruder, denn das ist er ja.«
Sie umarmten und küssten sich zum Abschied. Cornelia wollte sich um die Freilassung ihrer Mutter kümmern, aber Amelia wusste, dass das sinnlos war. Cornelius hielt alle Fäden in der Hand. Er betrat die Zelle unmittelbar, nachdem Cornelia gegangen war.
Offenbar hatte er vor der Tür gewartet.
»Zum letzten Mal, Frau, wirst du diesen Wahnsinn beenden?«, fragte er. Als sie den Kopf schüttelte, sah sie echte Ratlosigkeit in seinem Gesicht.
»Cornelius, ich glaube, du hast mich nur in den Zirkus mitgenommen, um mir Angst zu machen«, hob Amelia an. »Du hast vermutlich gedacht, dass ich beim Anblick von Raheis Tod meinen neuen Glauben aufgeben würde. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Was ich gesehen habe und die Tatsache, dass du meine Freunde ermordet hast, hat mich noch mehr in meinem Glauben bestärkt. Ich werde die Namen meiner christlichen Brüder und Schwestern niemals preisgeben. Und meinem Glauben werde ich auch nicht abschwören.«
Er straffte sich in seiner Amtstoga, bei deren Anblick die Menge gewöhnlich ehrfurchtsvoll zurückwich, und in seinen Augen funkelte purer Hass. Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und verließ die Zelle. Als die Tür hinter ihm zuschlug, wusste Amelia, dass sie verloren war. Ob Nero nun wirklich an dieser Sache beteiligt war, ob die gegen sie vorgebrachten Beschuldigungen stimmten oder nicht, Cornelius würde seinen Rachefeldzug gegen sie zu Ende führen. Er wollte sie in der Arena leiden sehen. Und sie wäre nicht allein: Er würde Japheth und Chloe und alle anderen kreuzigen lassen und sie, Amelia, als Letzte.
Mit jedem Schritt durch den finsteren Gang und jedem Tritt auf den glitschigen Stufen, die Amelia hatten Angst einjagen und sie gefügig machen sollen, wuchs Cornelius’ Zorn. Doch kam ihm bereits eine neue Idee, wie er die verfahrene Situation für sich retten konnte. Er würde Amelia vorgaukeln, dass er sein ganzes politisches Gewicht und seinen guten Namen in die Waagschale geworfen habe, um ihre Freilassung zu erwirken. Sie würde es allen ihren Freunden weitererzählen, und in kürzester Zeit würde Cornelius als Held dastehen.
Mit entsprechender Ungeduld wartete er darauf, dem Wachoffizier den Befehl für Amelias Freilassung zu erteilen, wie sie es vorab vereinbart hatten. Stattdessen traf er auf einen Untergebenen, der ihm erklärte, sein Vorgesetzter sei für einen Moment fortgegangen und den Schlüsselbund habe er mitgenommen.
»Dann geh ihn suchen!«, bellte Cornelius, der es mittlerweile mit Amelias Freilassung und der Wiederherstellung seiner Reputation eilig hatte.
Allein in ihrem Verlies wurde Amelia von Ängsten geschüttelt.
Sie dachte an die Jahre, die noch vor ihr lagen, an ihre Familie, an ihre Stadtvilla, ja sogar an ihren Landsitz, der ihr plötzlich so kostbar erschien. Sie wollte die Mannbarkeitszeremonie ihrer beiden Söhne Gaius und Lucius miterleben, wollte ihren ältesten Sohn seinen ersten Rechtsstreit gewinnen sehen, wollte die Kinder ihrer Tochter im Arm wiegen, wollte alt und weise werden und jeden Sonnenuntergang preisen. Sie hatte das in all den Jahren für selbstverständlich genommen, während sie dem Schöpfer für jeden neuen Tag hätte dankbar sein sollen.
Sie betete mit nie gekannter Inbrunst. Diese einst ungläubige Frau war nun so
Weitere Kostenlose Bücher