Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
kennen gelernt.« Sie spürte einen Adrenalinstoß, während sie die Worte sagte.
Jett nahm einen tiefen Zug und hielt den Atem an. Dann blies er ihr den Rauch ins Gesicht. »Ach ja?«
»Ja«, sagte sie und grinste ihn an. »Es ist Angel DeMarco.«
Für einen Augenblick herrschte gelähmte Überraschung, dann brachen alle in Gelächter aus.
»Aber natürlich ist er das, Lina«, lachte Brittany. »Und mein Vater ist Jack Nicholson.«
Jett sah sie stirnrunzelnd an. »Also, wer ist er wirklich?«
Lina starrte sie an. Ganz plötzlich fühlte sie sich hier unwillkommen und fragte sich, ob sie jemals wirklich dazugehört hatte. »Das habe ich doch schon gesagt, es ist Angel DeMarco.«
Jett blickte sie erstaunt an, hob langsam eine schwarze Augenbraue. »Ich hab' gelesen, er hat Aids.«
»Nein«, erwiderte sie. »Er hat nur einen Bypass bekommen. Keine große Sache.«
»Aber sicher«, sagte Britany mit einem verächtlichen Lachen, »als ob du das wüsstest.«
Sie drehte sich zu der Menge. »Ich weiß es. Ich habe das ganze Wochenende mit ihm verbracht und er hat mir gesagt, dass er eine Bypass-Operation hatte.«
»Du bist eine Lügnerin«, sagte Jett leise und sie wusste in der Sekunde, als er sprach, dass die ganze Gruppe ihm folgen würde. Dann grinste er sie an. »He, gib mir 'ne Kippe, ja?«
»Kauf dir selbst welche«, schnappte sie.
Jett wandte sich ihr wieder zu. »Was hast du gesagt?«
Sie starrte zu ihm auf, sah seine von Drogen bleiche Haut und die blutunterlaufenen Augen und das viel zu schwarze Haar, das ihm in die Stirn fiel. Sie fragte sich, was sie in ihm eigentlich gesehen hatte. Angewidert schüttelte sie den Kopf. »Mein Onkel Francis hatte Recht. Ihr seid ein Haufen Verlierer, sonst nichts.«
Der Ausdruck in Jetts Augen wurde hässlich. »Ach, wirklich?«, flüsterte er.
Sie wich zurück. »Ja, wirklich.«
Jett folgte ihr. Sie stolperte über einen Stein, stürzte und landete auf dem Hinterteil. Er trat dicht vor sie, grinste auf sie hinab. »Und wohin willst du jetzt?«
Sie stützte ihre Hände auf den lehmigen Boden und sprang auf. »Ich werde sehen, dass ich von euch wegkomme, und das schnellstens.«
Er lachte, aber sein Lachen war ein kaltes, wütendes Geräusch, das ihr Angst machte - genau so, wie es gedacht war.
»Und was willst du tun, dich mit den Cheerleaders anfreunden? Die wollen mit einem hässlichen Mädchen wie dir nichts zu tun haben, Hillyard.« Er lachte wieder. »Und diese schlappe Geschichte, dass Angel DeMarco dein Vater ist, wird dir auch niemand glauben. Sieh doch mal klar. Wir sind die einzigen Freunde, die du hast. Und jetzt hör auf, hier einen auf Schau zu machen, und gib mir was zu rauchen.«
Lina schlug ihm ins Gesicht. Die Ohrfeige hallte in der dichten, feuchten Luft wider. Ihr wurde eine Sekunde zu spät bewusst, was sie getan hatte - sie sah den Ärger in seinen Augen dämmern und dann rannte sie davon, schleppte sich am Ufer hoch und lief über das Footballfeld. Er griff nach ihr, verfehlte sie und fluchte, aber jetzt hatte sie einen erheblichen Vorsprung gewonnen.
Lina sah sich nicht um. Sie rannte den ganzen Weg zur Schule und rutschte in den stillen Korridor. Schwer atmend eilte sie zu der Tür von Vicki Owens Büro und klopfte heftig. Als die Beratungslehrerin »Herein« sagte, stürmte Lina in das Zimmer und schlug die Tür laut hinter sich zu. Sie sank auf den Stuhl, atmete ein paar Mal tief und schwer ein und sah dann Miss Owen an. »Ich brauche Hilfe.«
Eine halbe Stunde später saß Lina allein in der Turnhalle der Schule und wartete auf einen Jungen, den sie nicht kannte. Miss Owens Neffe oder Cousin oder etwas in der Art.
Miss Owen hatte zugehört, als Lina ihre Geschichte über Jett und die Bande erzählte, und dann ganz einfach gesagt: »Du brauchst neue Freunde, Lina.«
Lina hatte gelacht. »Oh, ja. Ich werde mir morgen früh ein paar aus der Cornflakesschachtel nehmen. Dann brauche ich nur noch eine Kassenquittung.«
Miss Owen hatte lediglich gelächelt und Lina gesagt, sie solle in die Turnhalle gehen und warten. Und jetzt war sie hier, saß auf dem kalten Boden des Basketballspielfeldes und hatte die Arme verschränkt. Und wartete.
Nach etwa zehn Minuten öffnete sich die Tür quietschend. Ein Junge blieb im Türrahmen stehen und kam dann langsam auf sie zu. Seine Schritte hallten in dem riesigen Raum von den Wänden wider.
Lina starrte ihn an, sah seine Gesichtszüge mit jedem Schritt, den er näher kam, deutlicher. Er war
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