Kristin Lavranstochter 1
deshalb widersetzt, weil mich dünkte, Erlend sei ein zu unverlässiger Mann, um ihm meine Tochter anzuvertrauen.“
„Ich glaube, ich darf jetzt für meinen Pflegesohn bürgen“, sagte Baard gedämpft. „Er hat Kristin so lieb, und ich weiß, wenn Ihr sie ihm gebt, wird er so arten, daß Ihr keine Ursache haben werdet, über den Schwiegersohn zu klagen.“
Lavrans antwortete nicht sogleich. Da sagte Herr Baard eindringlich und streckte die Hand aus:
„In Gottes Namen, Lavrans Björgulvssohn, gebt Euer Jawort!“
Lavrans legte seine Hand in die Herrn Baards.
„In Gottes Namen!“
Ragnfrid und Kristin wurden heraufgerufen, und Lavrans teilte ihnen seinen Entschluß mit. Herr Baard begrüßte die beiden Frauen auf edle Weise, Herr Munan ergriff Ragnfrids Hand und redete die Hausfrau höfisch an, aber Kristin begrüßte er auf ausländische Art mit einem Kuß, und er ließ sich Zeit bei dieser Begrüßung. Kristin fühlte, daß der Vater sie dabei anblickte.
„Wie gefällt dir dein neuer Verwandter, Herr Munan?“ fragte er spöttisch, als er im Laufe des Abends einen Augenblick mit ihr allein war.
Kristin sah ihren Vater flehend an. Da strich er ihr ein paarmal über das Gesicht und sagte nichts mehr.
Als Herr Baard und Herr Munan sich zur Ruhe begaben, sagte Munan:
„Ich wollte nicht wenig, darum geben, könnte ich Lavrans Björgulvssohns Gesicht sehen, erführe er die Wahrheit über diese teure Tochter. Hier haben wir beide, du und ich, auf den Knien darum betteln müssen, daß Erlend eine Frau zum Weibe bekommt, die er in Brynhilds Haus viele Male bei sich gehabt hat...“
„Wahr deinen Mund“, erwiderte Herr Baard erbittert. „Es ist das Schlimmste, was Erlend je tat, daß er dieses Kind an solche Orte gelockt hat - und laß Lavrans das nie erfahren; es ist am besten für uns alle, wenn diese beiden nun Freunde werden können.“
Es wurde verabredet, daß das Verspruchsfest noch im selben Herbste gefeiert werden sollte. Lavrans sagte, er könne kein sehr großes Gelage veranstalten, weil im vorigen Jahr eine solche Mißernte im Tal gewesen sei; dafür aber wolle er die Hochzeit selbst ausrichten und sie mit der geziemenden Pracht auf Jörundhof abhalten. Als Ursache seiner Forderung, daß die Verlobungszeit ein Jahr lang dauern sollte, erwähnte er wiederum das Mißjahr.
6
Das Verspruchsfest wurde aus mehreren Gründen verschoben ; es fand erst zu Neujahr statt, aber Lavrans war damit einverstanden, daß die Hochzeit deswegen nicht weiter verschoben
werden sollte, sie sollte gleich nach der Mikalsmesse gefeiert werden, wie die erste Verabredung gelautet hatte.
So lebte denn Kristin auf Jörundhof und war Erlends richtige Braut. Zusammen mit der Mutter sah sie die ganze Aussteuer durch, die für sie angesammelt worden war, und arbeitete fleißig daran, die Truhen noch mehr mit Bettzeug und Kleidern zu füllen, denn Lavrans wollte, daß an nichts gespart würde, nachdem er nun einmal seine Tochter dem Herrn auf Husaby versprochen hatte.
Kristin wunderte sich selbst darüber, daß sie jetzt nicht froher war. Aber trotz aller Geschäftigkeit herrschte keine richtige Freude auf Jörundhof.
Die Eltern vermißten Ulvhild schmerzlich, das merkte sie. Sie begriff jedoch, daß es nicht nur dies war, was sie so still und unfroh machte. Sie waren freundlich zu ihr, sprachen sie aber mit ihr über Erlend, dann merkte sie, daß sie sich dazu zwangen und es taten, um ihr Freude zu machen und ihr Freundlichkeit zu erweisen, nicht, weil sie selbst Lust dazu hatten, von ihm zu sprechen. Ihre Freude über die Heirat war nicht größer geworden, seit sie mit dem Mann bekannt geworden waren. Erlend war auch selbst still gewesen und hatte sich. zurückgehalten in der kurzen Zeit, die er zur Verlobung auf dem Jörundhof gewesen war - und anders konnte es wohl auch nicht sein, dachte Kristin, er wußte ja, daß ihr Vater nur ungerne seine Zustimmung erteilt hatte.
Sie selbst und Erlend hatten kaum zehn Worte unter vier Augen wechseln können. Und es war ungewohnt und seltsam für sie beide gewesen, so vor aller Leute Augen beieinanderzusitzen. Sie hatten da nur wenig zu reden gewußt, weil sie soviel Heimliches miteinander gehabt hatten. Es dämmerte eine unsichere Angst in ihr auf, unbestimmt und dunkel, aber stets gegenwärtig, daß es auf die eine oder andere Weise vielleicht schwierig für sie beide werden könnte, wenn sie nun verheiratet wären, weil sie einander vorher so allzu nahe gestanden hatten und
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