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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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sprachen mit Bruder Edvin über geistliche Dinge. Und wenngleich auch vieles von dem, was er sagte, dunkel und unklar war, wie auch früher schon, so schien es den Leuten doch, er stärke und tröste ihre Seele, denn ein jeder konnte merken, daß Bruder Edvin ganz erfüllt war von Liebe zu Gott.
    Aber der Mönch wollte auch gerne von allen möglichen anderen Dingen hören, fragte nach Neuigkeiten aus dem Tale und ließ Lavrans von dem Mißjahr berichten. Es gab Leute, die in der Bedrängnis zu üblen Mitteln gegriffen und sich an Helfer gewandt hatten, die christliche Männer scheuen mußten. Ein wenig weiter drinnen in den Bergen westlich des Tales waren an einer Stelle mehrere große weiße Steine, die wie die heimlichen Dinge der Menschen gestaltet waren, und es waren Leute darauf verfallen, diesen Scheußlichkeiten Eber und Katzen zu opfern. Da hatte Sira Eirik ein paar der frömmsten und mutigsten Bauern eines Nachts mit dorthin genommen und hatte mit ihnen die Steine zertrümmert. Lavrans war mit dabeigewesen und konnte bezeugen, daß sie ganz mit Blut beschmiert gewesen waren und daß Knochen und ähnliches ringsherum gelegen hatten. Es ging auch die Rede, daß oben im Heital die Leute eine alte Frau auf einen Felsen gesetzt hatten und sie drei Donnerstagsnächte hindurch alte Zaubersprüche hatten singen lassen.
    Eines Nachts saß Kristin allein bei Bruder Edvin.
    Gegen Mitternacht erwachte er und schien große Schmerzen zu leiden. Da bat er Kristin, das Buch über die Wunder der Jungfrau Maria zu nehmen, das Sira Eirik ihm geliehen hatte, und daraus vorzulesen.
    Kristin war nicht gewohnt, laut zu lesen, aber sie setzte sich auf die Bettstufe und stellte das Licht neben sich; dann legte sie das Buch auf die Knie und las, so gut sie konnte.
    Nach einiger Zeit sah sie, daß der Kranke dalag und die Zähne zusammenbiß; er ballte vor Schmerzen die abgezehrten Hände.
    „Ihr leidet hart, lieber Vater“, sagte Kristin betrübt.
    „Dies scheint mir nun so. Aber ich weiß, es ist Gott, der mich wieder zum Kind gemacht hat und mich umhertreibt.
    Ich entsinne mich, einmal, als ich noch klein war - vier Winter war ich alt -, da war ich von daheim weg- und in den Wald gelaufen. Ich verirrte mich dort und war viele Tage und Nächte fort.
    Meine Mutter war unter den Leuten, die mich fanden, und als sie mich in die Arme nahm, biß sie mich in den Nacken, daran kann ich mich erinnern. Ich glaubte, sie tue das, weil sie böse auf mich sei, aber später verstand ich das besser.
    Nun sehne ich mich aus diesem Walde heim. Es steht geschrieben: .Verlasset alles, was ihr habt, und folget mir nach“, aber es gab so allzu vieles hier in der Welt, was ich nicht gerne verlassen wollte...“
    „Ihr, Vater?“ fragte Kristin. „Stets habe ich sagen hören, daß Ihr ein Vorbild des reinen Lebenswandels, der Armut und der Demut gewesen seid.“
    Der Mönch lächelte ein wenig.
    „Ja, du junges Kind glaubst wohl, es gäbe keine anderen Lockungen in der Welt als Wollust und Reichtum und Macht. Ich sage dir, dies sind kleine Dinge, die wir am Wegrande finden, und ich, ich liebte die Wege selbst - nicht die kleinen Dinge der Welt liebte ich, sondern die ganze Welt. Gott verlieh mir die Gnade, Frau Armut und Frau Keuschheit von Jugend an zu lieben, und deshalb glaubte ich, mit diesen Gespielinnen ginge ich sicher dahin, und so bin ich umhergewandert und gegangen und habe mir gewünscht, alle Wege der Erde kennenzulernen. Und mein Herz und meine Gedanken sind umhergewandert und gegangen, auch sie - ich fürchte, ich bin mit meinen Gedanken über die dunkelsten Dinge oft irregegangen. Aber nun ist es zu Ende, kleine Kristin, nun will ich heim in mein Kloster und alle meine eigenen Gedanken ablegen und die klaren Worte des Guardians hören, darüber, was ich glauben und über meine Sünde denken soll und über die Gnade in Gott.“
    Bald darauf schlief er ein. Kristin setzte sich an den Herd und achtete auf das Feuer. Aber gegen die Morgenstunden, als sie selbst dem Einschlummern nahe war, sagte Bruder Edvin plötzlich von seinem Bett her:
    „Ich bin froh, Kristin, daß diese Sache mit Erlend Nikulaussohn und dir zu einem guten Ende geführt ist.“
    Da brach Kristin in Tränen aus.
    „Wir haben soviel Unrecht getan, ehe wir soweit kamen. Und am meisten nagt es an meinem Herzen, daß ich meinem Vater soviel Kummer bereitet habe. Er ist auch jetzt nicht froh darüber. Und trotzdem weiß er doch nicht - wüßte er alles, da entzöge er

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