Kristin Lavranstochter 1
oder der Erzbischof, oder wer es nun ist, der das kostbare Blut da unten hütet?
Lieber Lavrans, es ist so, ein reines Leben ist etwas Schönes, aber das vermag wahrlich ein erwachsener Mann nicht zu führen ohne besondere Gnade Gottes. Bei Sankt Olav - Ihr müßt doch bedenken, der heilige König selbst besaß diese Gabe nicht eher, als bis sich sein Leben hier unten dem Ende zuneigte; vermutlich war es Gottes Wille, daß er erst den tüchtigen Burschen König
Magnus zeugen sollte, der den Ansturm der Heiden auf die nördlichen Länder zurückwarf. König Olav bekam diesen Sohn nicht mit seiner Königin, und doch sitzt er unter den höchsten Heiligen im Himmelreich. Ja, ich sehe es Euch an, dies dünkt Euch eine unziemliche Rede.“
Herr Baard unterbrach:
„Lavrans Björgulvssohn, ich mochte diese Sache nicht besser leiden als Ihr, als Erlend das erstemal zu mir kam und sagte, daß er seinen Sinn einem Mädchen zugewandt habe, das einem anderen versprochen war. Aber ich habe später begriffen, es ist eine so starke Liebe zwischen diesen zwei jungen Menschen, daß es eine große Sünde wäre, ihre Freundschaft zu trennen. Erlend war mit mir zusammen auf dem letzten Weihnachtsfest, das König Haakon für seine Leute gab, dort trafen sie sich, und sobald sie einander sahen, sank Eure Tochter ohnmächtig um und lag eine lange Zeit wie tot da - und ich sah es meinem Pflegesohn an, daß er lieber sein Leben verlieren würde als sie.“
Lavrans saß einige Zeit schweigend da, ehe er antwortete:
„Ja, so etwas dünkt einen schön, wenn man es in einer Rittersage aus den südlichen Ländern hört. Aber wir sind nun einmal nicht in Bretland, und Ihr würdet wohl auch mehr von einem Manne fordern, den Ihr zum Schwiegersohn nehmen solltet, als nur, daß Eure Tochter um seinetwillen vor Liebe umsinkt, vor aller Leute Augen.“
Die beiden anderen schwiegen, da fuhr Lavrans fort:
„Ich denke mir, ihr guten Herren, hätte nicht Erlend Nikulaussohn sowohl seinen Besitz als auch seinen Ruf sehr vermindert, dann säßet ihr nicht hier und bätet einen Mann in meinen Verhältnissen so sehr darum, ihm seine Tochter zu geben. Aber ich will nicht, daß man von Kristin sagt, es sei ihr eine Ehre widerfahren, als sie auf Husaby einheiratete und einen Mann aus des Landes besten Geschlechtern zum Gemahl bekam -nachdem der Mann sich so mit Schande beladen hatte, daß er sich keine bessere Heirat erwarten und das Ansehen seines Geschlechtes nicht aufrechterhalten konnte.“
Er erhob sich heftig, ging in der Stube auf und ab.
Aber Herr Munan fuhr auf:
„Nein, Lavrans, redet Ihr von Sich-mit-Schande-Beladen, dann sollt Ihr doch wahrhaftigen Gottes wissen, daß Ihr allzu hochmütig seid ..."
Herr Baard unterbrach ihn; er ging zu Lavrans.
„Hochmütig seid Ihr, Lavrans - Ihr seid wie jene Bauern in früherer Zeit, von denen wir gehört haben, die weder Ehren noch Adel von den Königen annehmen wollten, weil ihr Hochmut es nicht zuließ, daß die Leute sagen könnten, sie schuldeten jemand Dank außer sich selbst. Das aber sage ich Euch, stünde Erlend mit so viel Ehre und Reichtum da, wie dem Jungen angeboten war, so würde ich mich trotzdem nicht für erniedrigt ansehen, wenn ich einen wohlhabenden Mann aus gutem Geschlechte darum bäte, seine Tochter meinem Pflegesohn zu geben, so ich merkte, daß den beiden jungen Menschen das Herz zerspringen würde, sollten sie getrennt werden. Besonders“, sagte er leise und legte Lavrans eine Hand auf die Schulter, „wenn es so stünde, daß es für das Seelenheil beider am besten wäre, sie könnten einander heiraten.“
Lavrans entzog sich der Hand des anderen; sein Gesicht wurde verschlossen und kalt.
„Ich verstehe gewiß nicht, was Ihr meint, Herr.“
Die beiden Männer blickten einander eine Weile an; da sagte Herr Baard:
„Ich meine, daß Herr Erlend mir gesagt hat, die beiden haben sich einander mit den teuersten Eiden verschworen. Vielleicht denkt Ihr, Ihr hättet die Macht, Euer Kind davon loszusprechen, nachdem es ohne Eure Zustimmung geschworen hat. Aber Erlend könnt Ihr nicht lossprechen, und ich kann es nicht anders ansehen, als daß das, was hauptsächlich im Wege steht, Euer Hochmut ist - und Euer Haß gegen die Sünde. Aber in diesem Punkte, dünkt es mich, wollt Ihr strenger sein als Gott selbst, Lavrans Björgulvssohn!“
Lavrans antwortete etwas unsicher:
„Mag sein, daß etwas Wahres an dem ist, was Ihr mir hier sagt, Herr Baard. Aber ich habe mich besonders
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