Kristin Lavranstochter 1
Wanderer sein, und als sie ihr Pferd wieder in der Gewalt hatte, wendete sie und ritt zurück, während sie fragend rief, wer da sei.
Das Bündel rührte sich ein wenig, und eine Stimme sagte:
„Ich glaube, du bist es selbst, Kristin Lavranstochter.“
„Bruder Edvin?“ fragte sie leise. Sie war nahe daran, zu glauben, dies sei Blendwerk oder Teufelei, die sie narren wollten. Aber sie ging zu ihm hin; es war wirklich der Alte, und er konnte sich nicht ohne Hilfe erheben.
„Lieber Vater - wandert Ihr um diese Jahreszeit draußen umher?“ fragte sie erstaunt.
„Gelobt sei Gott, der dich heute abend diesen Weg sandte“, sagte der Mönch. Kristin merkte, daß er am ganzen Körper zitterte. „Ich wollte nach Norden zu euch, aber nun konnte ich nicht mehr weiterkommen heute abend. Ich glaubte fast, es sei Gottes Wille, daß ich hier auf diesen Wegen, auf denen ich mein ganzes Leben gewandert bin, liegenbleiben und sterben sollte. Aber ich hätte gern erst gebeichtet und die Letzte Ölung bekommen. Und ich wollte dich noch einmal sehen, meine Tochter..."
Kristin half dem Mönch auf ihr Pferd; sie führte es am Zaum und stützte ihn. Während er beklagte, daß sie nun in dem halbgefrorenen Wegschmutz nasse Füße bekäme, jammerte er leise vor Schmerzen.
Er erzählte, daß er seit Weihnachten in Eyabu gewesen sei; einige reiche Bauern der Gemeinde hatten während des Mißjahres gelobt, die Kirche mit neuem Zierat ausschmücken zu lassen. Aber es war nur langsam vorwärtsgegangen mit der Arbeit: er hatte den Winter über an einer Krankheit gelitten - es war ein Magenübel, so daß er Blut brach und kein Essen vertrug. Er glaubte selbst, daß er nicht mehr lange zu leben habe, und er sehnte sich nun heim nach seinem Kloster, wollte am liebsten dort bei seinen Brüdern sterben dürfen. Da aber hatte ihn die Sehnsucht befallen, vorher noch ein letztes Mal in das Tal heraufzukommen, und so war er mit einem Priestermönch gereist, der von Hamar nach Norden fuhr, da er der neue Hausvater in der Pilgrimsherberge auf Roaldstad werden sollte. Von Fron ab war er dann allein weitergewandert.
„Ich hörte, daß du verlobt worden bist“, sagte er, „mit diesem Manne. Und da bekam ich solche Sehnsucht danach, dich zu sehen. Es dünkte mich schmerzlich, daß dies unsere letzte Zusammenkunft gewesen sein sollte, damals in der Kirche draußen bei uns. Es hat mir so schwer auf dem Herzen gelegen, Kristin, daß du auf die Wege des Unfriedens geraten warst.“
Kristin küßte die Hand des Mönchs und sagte:
„Nicht weiß ich, Vater, was ich getan und wie ich es verdient habe, daß Ihr mir so große Liebe erzeiget.“
Der Mönch antwortete leise:
„Ich habe oft gedacht, Kristin, wären wir häufiger zusammengekommen, da hättest du wie meine geistige Tochter werden können.“
„Meint Ihr, Ihr würdet mich dann dahin geführt haben, daß ich meinen Sinn dem Klosterleben zugewandt hätte?“ fragte Kristin. Bald darauf sagte sie: „Sira Eirik legte mir ans Herz, daß ich, wenn ich nicht meines Vaters Zustimmung erhalten und mit Erlend verheiratet werden würde, in eine göttliche Schwesternschaft eintreten sollte, um meine Sünden zu tilgen.“
„Ich habe oft darum gebetet, daß du Sehnsucht nach dem Klosterleben fühlen möchtest“, sagte Bruder Edvin. „Aber nicht mehr, seitdem du mir das sagtest, was du weißt. Ich wollte, daß du mit deinem Jungfrauenkranz zu Gott kämest, Kristin ...“
Als sie auf Jörundhof anlangten, mußte Bruder Edvin hineingetragen und zu Bett gebracht werden. Sie legten ihn in die alte Winterstube, die Feuerstube, und sorgten auf das beste für ihn. Er war sehr krank, und Sira Eirik kam mit Mitteln für Leib und Seele auf den Hof und nahm sich seiner an. Der Priester sagte, der Alte habe den Krebs und er könne nicht mehr lange zu leben haben. Bruder Edvin selbst meinte, wenn er wieder ein wenig zu Kräften gekommen sei, wolle er nach Süden zurück und versuchen, sein Kloster zu erreichen. Sira Eirik äußerte zu den anderen, er glaube nicht, daß daran auch nur zu denken sei.
Allen auf Jörundhof schien es, als sei mit dem Mönche großer Friede und große Freude bei ihnen eingezogen. Die Leute gingen den ganzen Tag in der Feuerstube aus und ein, und es mangelte nie an jemand, der nachts bei dem Kranken wachen wollte. Alle, die Zeit hatten, scharten sich zusammen und setzten sich und hörten zu, wenn Sira Eirik herüberkam und dem Sterbenden aus heiligen Büchern vorlas, und sie
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