Kristin Lavranstochter 1
mir wohl seine Freundschaft ganz und gar.“
„Kristin“, sagte Bruder Edvin milde, „begreifst du denn nicht, Kind, daß du deshalb vor ihm schweigen mußt und ihm deshalb keinen Kummer mehr bereiten darfst, weil er nie Buße von dir verlangen würde. Es gibt nichts, was du tun könntest, das den Sinn deines Vaters gegen dich zu ändern vermöchte.“
Ein paar Tage später fühlte Bruder Edvin sich so wohl, daß er nach Süden ziehen wollte. Da dieses ihm so am Herzen lag, ließ Lavrans eine Art Trage machen, die zwischen zwei Pferden aufgehängt wurde, und so führte er den Kranken nach Süden bis nach Lidstad hinunter; dort bekam Bruder Edvin neue Pferde und neue Begleitung, und so wurde er bis nach Hamar gebracht. Hier starb er im Kloster der Predigerbrüder und wurde in deren Kirche beerdigt. Später verlangten die Barfüßer, daß ihnen die Leiche ausgeliefert werde, weil viele Leute rings von den Gemeinden ihn für einen heiligen Mann hielten und von ihm als von Sankt Even sprachen; die Bauern im Gebirge und in den Tälern bis ganz hinauf nach Nidaros beteten zu ihm. Es entstand zwischen den beiden Klöstern ein langer Streit um die Leiche.
Davon hörte Kristin erst viel später. Aber sie trauerte sehr, als sie von dem Mönche Abschied nahm. Es dünkte sie, er allein kenne ihr Leben ganz und gar - er hatte das unschuldige Kind gekannt, das sie unter dem Schutze ihres Vaters gewesen war, und er hatte ihr heimliches Leben mit Erlend gekannt, so daß er wie eine Spange war, schien es ihr, die alles, was sie liebgehabt hatte, mit dem zusammenband, was jetzt ihre Gedanken erfüllte. Nun war sie gänzlich getrennt von jener Jungfrau, die sie selbst einmal gewesen war.
7
„Ich denke“, sagte Ragnfrid und tauchte prüfend den Finger in das warme Gebräu in den Gefäßen, „nun ist es inzwischen so kühl geworden, daß wir die Hefe daruntermischen können.“
Kristin hatte in der Tür des Brauhauses gesessen und gesponnen, während sie darauf wartete, daß der Sud sich abkühlte. Sie legte die Spindel auf die Türschwelle, wickelte den kleinen Bottich mit aufgelöster Bierhefe aus dem Tuch und maß ab.
„Schließ erst die Tür“, bat die Mutter, „damit kein Zug dazukommt. Du gehst umher, als ob du schliefest, Kristin“, sagte sie ärgerlich.
Kristin ließ das Gemisch langsam in die Braugefäße rinnen, während Ragnfrid rührte.
Geirhild Drivstochter rief dem Hatt, aber es war Oden. Da kam er und half ihr, das Bier zu brauen; als Lohn verlangte er das, was zwischen dem Bottich und ihr war. - Das war eine Saga, die Lavrans einmal erzählt hatte, als Kristin noch klein war.
Das, was zwischen dem Bottich und ihr war. - Kristin fühlte sich krank und betäubt von der Hitze und dem süßen Kräuterdampf in dem abgeschlossenen dunklen Brauhaus.
Draußen auf dem Hofplatz ging Ramborg mit einer Schar von Kindern im Kreis herum und sang:
„Der Adler sitzt auf dem höchsten Fels und krümmt seinen goldenen Fang ...“
Kristin folgte der Mutter durch den kleinen Vorraum hinaus, wo leere Bierbottiche und allerlei Gerätschaften lagen. Von dort führte eine Tür auf einen Streifen Grundes zwischen der hinteren Wand des Brauhauses und dem Zaun um den Gerstenacker. Etliche Schweine stießen und bissen einander und schrien, während sie sich um die hinausgeschütteten lauwarmen Treber rauften.
Kristin beschattete die Augen gegen die blendende Mittagssonne. Die Mutter betrachtete die Schweine und sagte:
„Mit weniger als achtzehn Renntieren werden wir nicht zurechtkommen.“
„Werden wir so viele brauchen, glaubt Ihr?“ erwiderte die Tochter zerstreut.
„Ja, wir müssen jeden Tag Wildbret mit Speck auftragen“, antwortete die Mutter. „Und an Vögeln und Hasen haben wir kaum mehr, als was wir in der Großstube allein verbrauchen. Du mußt bedenken, es kommen an die zweihundert Menschen her, mit Dienstleuten und Kindern, und die Armen, die gesättigt werden sollen. Und selbst wenn ihr, du und Erlend, am fünften Tag fortzieht, so werden doch manche der Gäste eine ganze Woche bleiben - zum mindesten.
Du mußt nun hier warten und auf das Bier achten, Kristin“, sagte Ragnfrid. „Ich will gehen und mich um das Essen für den Vater und die Ernteleute kümmern.“
Kristin holte ihre Spindel und setzte sich an die Hintertür. Sie schob den Wollhalter unter den Arm, ihre Hände aber sanken ihr mit der Spindel in den Schoß.
Hinter dem Zaun glänzten die Ähren der Gerste wie Silber und Seide in der
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