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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Weib?“
    Gunnulv sah den Bruder nicht an. Eine Blutwelle flutete rot über sein Gesicht.
    „Du hast kein Recht, so zu fragen - trotzdem aber werde ich dir antworten. Er, der für uns am Holz des Kreuzes starb, weiß, wie sehr ich seiner Barmherzigkeit bedarf. Aber ich sage dir, Erlend, hätte er auf der ganzen runden Scheibe der Erde nicht einen einzigen Diener, der rein und unbefleckt von Sünde wäre, und gäbe es in seiner heiligen Kirche nicht einen einzigen Priester, der getreuer und würdiger wäre als ich erbärmlicher Verräter des Herrn - so ist es doch das Gebot und Gesetz des Herrn, das in dieser Kirche gelehrt wird. Sein Wort kann nicht vom Munde eines unreinen Priesters besudelt werden, sondern es kann allein unsere Lippen verbrennen und verzehren, dies aber verstehst du vielleicht nicht. Aber das weißt du trotzdem so gut wie ich und jeder andere schmutzige Sklave des Teufels, den er mit seinem Blute erkauft hat: an Gottes Gesetzen kann nicht gerüttelt und seine Ehre kann nicht verringert werden. So gewiß, wie seine Sonne gleich gewaltig ist, ob sie nun über dem unfruchtbaren Meer und öden Felsgebirgen scheint oder über diesen lieblichen Tälern.“
    Erlend hielt sein Gesicht in den Händen verborgen. Lange saß er so da, aber als er sprach, war seine Stimme trocken und hart:
    „Priester oder nicht Priester - da du kein so strenges reines Leben geführt hast, begreifst du das nicht. Könntest du an einer Frau, die in deinen Armen geschlafen, dir zwei Kinder geboren hat - könntest du an der so handeln, wie die Muhme an ihrem Mann gehandelt hat?“
    Der Priester schwieg eine Weile. Dann sagte er ein wenig spöttisch:
    „Du urteilst doch nicht so hart über Muhme Aashild.“
    „Es kann ja nun wohl für einen Mann nicht so sein wie für eine Frau. Ich entsinne mich des letzten Males, da sie hier auf Husaby waren, zusammen mit Herrn Björn. Wir saßen hier an der Feuerstätte, die Mutter und die Muhme, und Herr Björn spielte auf der Harfe und sang ihnen vor - ich stand an sein Knie gelehnt. Da rief Oheim Baard nach ihr; er lag zu Bett und wollte, daß sie jetzt schlafen gehe - er gebrauchte so unver-brämte und schamlose Worte. Die Muhme stand auf und auch Herr Björn; er verließ die Stube, aber vorher sahen sie einander an. Ja, später, als ich alt genug war, um zu begreifen, dachte ich mir, vielleicht ist es wahr. Ich hatte erbettelt, Herrn Björn zu dem Haus hinüberleuchten zu dürfen, in dem er schlafen sollte, aber ich wagte es nicht, und ich wagte auch nicht, in der Halle zu schlafen - ich lief hinaus und legte mich zu den Leuten im Knechtehaus. Bei Jesus, Gunnulv - es kann für einen Mann nicht so sein, wie es wohl an jenem Abend für Aashild war. Nein, Gunnulv - ein Weib töten, wie ... ohne daß man sie mit einem anderen antrifft!“
    Aber Erlend hatte es ja getan. Doch dies vermochte Gunnulv dem Bruder nicht zu sagen. Dann fragte der Priester kalt:
    „War denn auch das nicht wahr, daß Eline dir untreu gewesen ist?“
    „Untreu!“ Erlend wandte sich dem Bruder zu, jäh und aufflammend. „Meinst du, ich sollte es ihr zur Last legen, daß sie sich an Gissur gehalten hat, nachdem ich sie so oft - immer wieder - hatte wissen lassen, daß es zwischen uns nun zu Ende sein müsse?“
    Gunnulv neigte den Kopf.
    „Nein. Du hast wohl recht“, sagte er müde und leise.
    Aber durch diese schwache Zustimmung, die ihm geworden war, flammte Erlend auf - er warf den Kopf zurück und sah den Priester an.
    „Du bist so besorgt um Kristin, du, Gunnulv. Wie du dich doch das ganze Frühjahr hindurch um sie bekümmert hast -beinahe mehr, als es sich für einen Bruder und einen Priester geziemt! Es ist fast, als gönntest du sie mir nicht. Wäre es nicht deshalb gewesen, weil es so um sie stand, als du sie zum ersten Male sahst, dann könnten die Leute glauben ...“
    Gunnulv sah ihn an. Außer sich unter dem Blick des Bruders, sprang Erlend auf - auch Gunnulv erhob sich. Da Gunnulv den Blick nicht von ihm wandte, ging Erlend mit geballter Faust auf ihn los. Der Priester umfaßte sein Handgelenk. Erlend wollte auf den Bruder eindringen, aber Gunnulv stand unverrückbar.
    Erlend wurde sofort zahm.
    „Ich hätte daran denken sollen, daß du Geistlicher bist“, sagte er leise.
    „Wie du siehst, brauchst du deshalb keine Reue zu empfinden“, erwiderte Gunnulv mit einem kleinen Lächeln - Erlend stand da und rieb sein Handgelenk.
    „Ja, du hattest schon immer eine verteufelte Kraft in den

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