Kristin Lavranstochter 1
Eivind und Orm, den kleinen Jungen der beiden, in einem Bett. Der Geruch ihrer Körper, das Schnarchen des Mannes und die regelmäßigen Atemzüge der beiden Kinder machten, daß Kristin still vor sich hin weinte. Noch am vorhergehenden Abend hatte sie sich wie jede Nacht mit ihren eigenen Eltern und der kleinen Ulvhild schlafen gelegt - sie mußte an ein Nest denken, das jemand heruntergerissen und zerstört hat, und sie selbst war aus dieser warmen Zuflucht und dem Schutze der Flügel, die sie immer gewärmt hatten, herausgeschleudert worden. Schließlich weinte sie sich in den Schlaf, allein und unglücklich zwischen den fremden Menschen.
Am nächsten Morgen, als sie aufgestanden war, erfuhr sie, daß der Oheim und sein ganzes Gefolge vom Hofe geritten waren - im Zorn; Trond hatte seine Schwester ein verrücktes und wahnsinniges Weibsbild genannt und seinen Schwager einen schlappen Kerl und einen Toren, der es nie verstanden habe, seine Frau zu zügeln. In Kristin stieg es heiß auf vor Zorn, aber sie schämte sich auch - sie begriff gut, daß eine große Unschicklichkeit geschehen war, wenn die Mutter ihre nächsten Verwandten vom Hofe vertrieben hatte. Und zum ersten Male dämmerte der Gedanke in ihr, daß an der Mutter etwas war, was anders hätte sein sollen - daß sie von anderen Frauen verschieden war.
Während sie dastand und darüber grübelte, kam eine Magd und sagte, sie solle in den Dachraum zu ihrem Vater gehen.
Aber als Kristin diesen Raum betrat, vergaß sie zum Vater hinzusehen, denn gerade vor der offenen Türe, das Licht mitten auf dem Gesicht, saß eine kleine Frau, und sie begriff, daß dies die Zauberin sein müsse; obwohl Kristin nicht gedacht hatte, daß sie so aussehen würde.
Sie wirkte klein und schmächtig wie ein Kind, denn sie saß in dem großen Lehnstuhl, den man heraufgetragen hatte. Ein Tisch stand vor ihr, mit dem feinsten durchbrochenen linnenen Tuch der Mutter bedeckt. Speck und Geflügel war auf silbernen Platten aufgetragen worden, in einem Krug aus feinem Holze war Wein, und man hatte ihr den silbernen Becher des Vaters selbst vorgesetzt. Sie war mit dem Essen fertig und im Begriff, ihre kleinen und schmalen Hände an einem der besten Handtücher der Mutter abzuwischen. Ragnfrid stand selbst vor ihr und hielt ihr ein Messingbecken mit Wasser.
Frau Aashild ließ das Handtuch in den Schoß sinken, lächelte dem Kinde zu und sagte mit einer klaren und lieblichen Stimme: „Komm her zu mir! - Schön sind deine Kinder, Ragnfrid“, wandte sie sich der Mutter zu.
Ihr Gesicht war sehr faltig, aber so leuchtend weiß und rosenrot wie das eines Kindes, und es sah aus, als müsse die Haut weich und fein anzurühren sein. Der Mund war rot und frisch wie der einer jungen Frau, und ihre großen gelblichen Augen schimmerten. Ein feines weißes Kopftuch schloß dicht um ihr Gesicht und wurde unter dem Kinn von einer goldenen Spange zusammengehalten; darüber trug sie einen Schleier aus weicher dunkelblauer Wolle, der über die Schultern und weit auf das dunkle, gutsitzende Gewand hinabfiel. Schlank war sie wie eine Kerze, und Kristin ahnte mehr, als sie es dachte, daß sie noch nie eine so schöne und höfische Frau gesehen habe wie diese alte Zauberin, mit der niemand aus den großen Sippen des Tales etwas zu tun haben wollte.
Frau Aashild hielt Kristins Hand mit ihrer alten, weichen umfaßt, sie sprach mit ihr, freundlich und scherzhaft, aber Kristin konnte keine Silbe antworten. Da sagte Frau Aashild mit einem leisen Lachen:
„Glaubt ihr, daß sie Angst vor mir hat?“
„Nein, nein“, Kristin rief es fast. Da lachte Frau Aashild noch mehr und sagte zur Mutter:
„Sie hat kluge Augen, diese deine Tochter, und gute, kräftige Hände - ist auch nicht an Faulheit gewöhnt, wie ich merke. Du wirst nun jemand brauchen, der dir helfen kann, Ulvhild zu pflegen, wenn ich nicht hier bin. Du kannst mir deshalb Kristin an die Hand gehen lassen, solange ich auf dem Hofe bin - sie ist alt genug dazu, elf Jahre?“
Damit ging Frau Aashild, und Kristin wollte ihr folgen. Da rief Lavrans sie vom Bett aus zu sich. Er lag flach auf dem Rücken, die Kopfkissen unter die angezogenen Knie gestopft;
Frau Aashild hatte angeordnet, daß er so liegen sollte, dann würde die Verletzung in der Brust rascher heilen.
„Da werdet Ihr wohl bald wieder gesund, Vater?“ fragte Kristin. Lavrans sah sie an - noch nie hatte das Kind Ihr zu ihm gesagt. Dann erwiderte er ernsthaft:
„Mit mir ist es nicht
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