Kristin Lavranstochter 1
Priestern, wo sie Grütze und dünnes Bier im Küchenhaus erhielten.
Sobald der Schreiber mit dem Tischgebet nach dem Essen fertig war, wollten die armen Gäste gehen. Gütig sprach Gunnulv mit jedem einzelnen, fragte, ob sie nicht über Nacht hierbleiben wollten oder ob sie sonst einen Wunsch hätten; aber nur der blinde Knabe blieb zurück. Das Mädchen mit dem Kind bat der Priester ganz besonders, doch hierzubleiben und den Kleinen nicht zur Nachtzeit hinauszutragen, sie aber murmelte eine Entschuldigung und beeilte sich, wegzukommen. Da bat Gunnulv einen der Diener, dafür zu sorgen, daß Arnstein, der Blinde, Bier bekäme und ein gutes Bett im Gästehaus. Dann nahm er einen Umhang mit Kapuze.
„Ihr beide, Orm und Kristin, seid wohl müde und wollt euch zur Ruhe legen. Audhild wird für euch sorgen - ich denke, ihr werdet bereits schlafen, wenn ich aus der Kirche komme.“
Da bat Kristin, mit ihm gehen zu dürfen. „Deshalb bin ich hierhergekommen“, sagte sie und richtete ihre verzweifelten Augen auf Gunnulv. Ingrid lieh ihr einen trockenen Umhang, und sie schloß sich mit Orm der kleinen Schar an, die den Pfarrhof verließ.
Die Glocken läuteten, als hingen sie dicht über ihren Köpfen oben in dem schwarzen Nachthimmel - es waren nur ein paar Schritte bis zur Kirche. Sie wateten durch tiefen, nassen Neuschnee. Das Wetter war jetzt still, dann und wann sank noch eine kleine Schneeflocke herab und schimmerte schwach in der Dunkelheit.
Todmüde, versuchte Kristin sich an die Säule zu lehnen, bei der sie stand, aber der Stein durcheiste sie. Sie stand in der dunklen Kirche und starrte zum Licht des Chors empor. Sie konnte Gunnulv da oben nicht sehen. Aber er saß dort zwischen den Priestern, mit seiner Kerze bei seinem Buch. - Nein, sie konnte sich wohl trotz allem nicht mit ihm aussprechen.
Heute abend war es, als sollte es nirgends für sie eine Hilfe geben. Sira Eiliv daheim wies sie zurecht, weil sie ihre Alltagssünden so schwer nahm - er sagte, dies sei eine Versuchung zum Hochmut; sie solle nur fleißig sein in Gebeten und guten Werken, dann finde sie keine Zeit, soviel über derlei nachzudenken. „Der Teufel ist nicht so dumm, er versteht schon, daß er dann zuletzt doch deine Seele verlieren würde, und führt dich gar nicht erst soviel in Versuchung.“
Sie lauschte dem Wechselgesang und dachte an die Kirche der Nonnen in Oslo. Dort hatte sie selbst ihre kleine armselige Stimme in den Lobgesang gemischt - und unten im Langschiff hatte Erlend gestanden, bis zum Kinn in den Umhang gehüllt; beide dachten sie nur an eine Gelegenheit, sich heimlich sprechen zu können.
Und diese heidnische und brennende Liebe hatte sie für keine so entsetzliche Sünde gehalten. - Sie konnten ja nicht anders -und sie waren ja beide unverheiratet. Es war mehr eine Übertretung der menschlichen Gesetze. Erlend wollte ja herauskommen aus seinem entsetzlichen Sündenleben - und sie hatte gedacht, er würde eher Kraft dazu gewinnen, sich von der alten Last zu befreien, wenn sie ihr Leben und ihre Ehre und ihr Glück in seine Hände legte.
Das letztemal, als sie hier in dieser Kirche kniete, hatte sie vollauf begriffen: wenn sie ehedem in ihrem Herzen also gesprochen, dann war das nur ein Versuch gewesen, Gott mit Lügen und Schelmenstreichen zu betrügen. Nicht ihrer Tugend, sondern ihrem guten Glück hatten sie es zu danken, daß es noch Gebote gab, die sie nicht übertreten, und Sünden, die sie nicht begangen hatten. Wäre sie schon die Frau eines anderen gewesen, als sie Erlend begegnete - sie wäre nicht besorgter gewesen für sein Seelenheil und seine Ehre als jene andere, die sie so unbarmherzig verurteilt hatte. Es gab nichts, so schien es ihr jetzt, wozu sie sich damals, in Verirrung und Verzweiflung, nicht hätte hinreißen lassen können. Sie hatte gefühlt, wie die Liebe ihren Willen verhärtete, bis er scharf und hart war wie ein Messer, bereit, alle Bande der Verwandtschaft, des Christentums, der Ehre zu durchschneiden. Nichts anderes war mehr in ihr gewesen als der brennende Hunger, ihn zu sehen, ihm nahe zu sein, die Lippen seinem heißen Munde und den Schoß der tödlich süßen Lust zu öffnen, die er sie gelehrt hatte.
O nein. Der Teufel war doch wohl nicht so sicher, daß er ihre Seele verlieren würde. Aber als sie hier lag, zerknirscht vor Kummer über ihre Sünden, über die Härte ihres Herzens, über ihr unreines Leben und die Blindheit ihrer Seele - da hatte sie gefühlt, wie der heilige
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