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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Weib; fort von ihr und all dem Ihren sehnte er sich. Er hatte sich in Halbschlummer geweint, als er merkte, daß sie auf war und summend und beruhigend hin und her ging.
    Erlend sprang aus dem Bett, stolperte in der Dunkelheit über einige Kinderschuhe, ging auf seine Frau zu und nahm ihr Gaute ab. Der Knabe begann zu schreien, und Kristin sagte klagend :
    „Jetzt hatte ich ihn beinahe zum Einschlafen gebracht.“
    Der Vater schüttelte das schreiende Kind, gab ihm ein paar Schläge hinten drauf, und als das Kind noch ärger schrie, beruhigte er es mit so heftiger Stimme, daß Gaute sein Schreien entsetzt abbrach. Solches war ihm noch nie in seinem Leben widerfahren.
    „Jetzt mußt du aber doch endlich einmal vernünftig sein, Kristin.“ Die Heftigkeit übermannte ihn ganz und gar, wie er so dastand, aufgeschreckt, nackt und frierend in dem pechschwarzen Raum, mit einem schluchzenden Kind auf den Armen. „Das muß ein Ende haben, sage ich; wozu hast du denn Kindsmägde? Die Kinder sollen bei ihnen schlafen, du kannst das ja nicht aushalten.“
    „Kannst du es mir denn nicht vergönnen, meine Kinder bei mir zu haben in der Zeit, die mir noch übrig ist“, antwortete Kristin leise und klagend.
    Erlend wollte nicht verstehen, was sie meinte.
    „In der Zeit, die du noch übrig hast, bedarfst du der Ruhe. Leg dich jetzt hin, Kristin“, bat er leise.
    Er nahm Gaute mit sich in sein Bett, summte ihm etwas vor und suchte im Dunkeln nach seinem Gürtel auf der Bettstufe. Die kleinen Silberplatten, mit denen der Gürtel besetzt war, rasselten und klirrten, als der Knabe damit spielte.
    „Es wird doch wohl nicht der Dolch daran sein?“ fragte Kristin ängstlich von ihrem Bett her, und Gaute brach in erneutes Schreien aus, als er die Stimme der Mutter vernahm. Erlend beruhigte ihn und klirrte mit dem Gürtel - endlich ließ das Kind nach und wurde ruhig.
    Man konnte doch kaum wünschen, daß dieses elende, kränkliche Kind heranwuchs - es war nicht sicher, daß Gaute menschlichen Verstand besaß.
    O nein, o nein, seligste Jungfrau Maria, das meinte er nicht -er wünschte doch seinem eigenen kleinen Sohn nicht den Tod. Nein, nein, Erlend drückte das Kind ganz in seinen Arm und legte sein Gesicht auf das feine, weiche Haar.
    Ihr schönen Söhne. Aber es ermüdete ihn, früh und spät von ihnen zu hören und allenthalben über sie zu stolpern. Wie drei kleine Buben auf einem großen Hof zu gleicher Zeit an allen Orten sein konnten, das begriff er nicht. Aber er erinnerte sich, wie brennend es ihn bei Eline gekränkt hatte, daß sie sich nicht um ihre Kinder bekümmerte. Er war doch wohl ein ungerechter Mann - denn nun grämte er sich darum, weil er Kristin nie mehr anders sah als mit den Kindern an ihrem Rockschoß.
    Wenn er seine ehelichen Söhne umarmte, hatte er nie jenes Gefühl empfunden wie damals, als man ihm Orm zum erstenmal in den Arm legte. Oh, Orm, Orm, mein Sohn. Schon damals war er Elines so überdrüssig gewesen - überdrüssig ihres Eigensinns und ihrer Heftigkeit und ihrer zügellosen Liebe. Er hatte erkannt, sie war zu alt für ihn. Und er hatte angefangen zu verstehen, was diese Tollheit ihn kosten würde. Aber er hatte auch gefunden, daß er sie nicht von sich stoßen dürfe, nachdem sie um seinetwillen alles verloren hatte. Die Geburt des Knaben hatte ihn veranlaßt, es mit der Mutter auszuhalten, so schien es ihm. Als er Orms Vater wurde, war er noch zu jung gewesen, um die Stellung des Kindes - die Mutter war ja die Ehefrau eines anderen Mannes - recht zu erkennen.
    Wieder stiegen ihm die Tränen auf, und er zog Gaute dichter an sich heran. Orm - keines seiner Kinder hatte er so geliebt wie diesen Knaben; er entbehrte ihn sehr und bereute so bitter jedes harte und heftige Wort, das er zu ihm gesagt hatte. Unmöglich hatte Orm wissen können, wie sein Vater ihn liebte. Erbitterung und Verzweiflung hatten Erlend immer heftiger erfaßt, je mehr es ihm klar wurde, daß man Orm nie für seinen echten Sohn ansehen würde, daß er nie den Wappenschild seines Vaters erben könnte. Eifersucht hatte den Vater erfüllt, weil er sah, daß der Sohn sich enger an die Stiefmutter anschloß als an ihn selbst, und Kristins gleichmäßige, milde Güte für den Knaben war Erlend wie ein stiller Vorwurf erschienen.
    Dann kamen jene Tage und Nächte - er ertrug es nicht, daran zu denken. Orm lag auf der Totenbahre im Dachraum, und die Frauen kamen und sagten, sie glaubten nicht, daß Kristin dies überleben würde. Die

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