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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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rohes und dunkles
    Gesicht. Ulv wußte es wohl auch. Erlend wurde merkwürdig beschämt unter dem Blick des Mannes. Nun erinnerte er sich an all das, wovon sein Verwandter und Knappe Mitwisser war - an jede Tollheit, in die er sich seit seinen ersten Jugendjahren hineingestürzt hatte. Ulv hatte es nicht nötig, ihn höhnisch anzusehen - es war ja nicht seine Absicht gewesen, dieser Frau näherzutreten, als Tugend und Ehre es gestatteten, so tröstete er sich selbst. Er war jetzt doch so alt und durch Schaden klug geworden, daß man ihn ruhig nach Haalogaland ziehen lassen konnte, ohne befürchten zu müssen, er würde sich mit der Frau eines anderen Mannes in Unverständigkeiten verlieren. Er hatte jetzt selbst eine Frau; er war Kristin treu gewesen vom ersten Tag an, da er sie gesehen hatte, und bis jetzt - dies und jenes, was sich dort oben im Norden zugetragen hatte, konnte kein vernünftiger Mann mitzählen. Aber im übrigen hatte er eine Frau nicht einmal angesehen - nicht so. Er wußte dies selbst - mit einer Norwegerin, noch dazu mit einer Ebenbürtigen ... Nein, er würde nie wieder Frieden in seinem Herzen finden, wenn er Kristin so verriete. Aber diese Reise nach Süden, mit dieser hier an Bord - die würde wohl ein Wagnis werden.
    Ein wenig half es, daß sie unterwegs meist schweres Wetter hatten, so daß er anderes zu tun bekam, als mit der Frau zu scherzen. In Dynöy mußte er unter Land gehen und einige Tage warten. Und während sie dort lagen, ereignete sich etwas, was zur Folge hatte, daß Frau Sunniva ihm weit weniger verlockend erschien.
    Erlend, Ulv und einige der Leute schliefen in demselben Verschlag, in dem Sunniva und ihre Mägde lagen. Eines Morgens war er allein drinnen, und die Frau war noch nicht aufgestanden. Da rief sie ihm - sagte, sie habe einen goldenen Ring im Bett verloren. Er mußte herkommen und suchen helfen - sie kroch auf den Knien im Bett herum und war nur mit dem Hemd bekleidet. Immer wieder drehten sie sich einander zu, und jedesmal stieg beiden ein Diebeslächeln in die Augen. Dann griff sie nach ihm. Ja, er hatte sich wohl selbst kaum so übermäßig schicklich betragen, Zeit und Ort waren nicht dazu angetan, aber sie war so frech und schamlos willig, daß er plötzlich ganz kalt wurde. Brennend rot vor Scham, wandte er sich von diesem vor Lachen und Übermut aufgelösten Gesicht ab; ohne jeden Vorwand machte er sich los und ging hinaus. Sandte dann die Mägde zu ihrer Herrin hinein.
    Nein, zum Teufel, er war doch keine junge Ratte, die sich im Bettstroh fangen ließ! Verführen, schon recht - aber sich verführen lassen, das war etwas anderes. Er mußte doch auch wieder lachen - hier stand er und war vor einer schönen Frau davongerannt wie jener hebräische Josef. Ja, es geschieht allerlei zu Wasser und zu Lande.
    Nein, Frau Sunniva... Oh, er mußte an eine denken - an eine, die er kannte. Sie war hingegangen, um ihn in einer Herberge für fahrende Kriegsleute zu treffen - und sie kam so züchtig und würdig wie eine königliche Jungfrau, die zur Messe geht. In Wäldern und Scheunen hatte sie ihm angehört, Gott möge ihm verzeihen, er hatte ihre Geburt und ihre Ehre vergessen ; sie hatte sie um seinetwillen vergessen, aber sie von sich zu werfen, das hatte sie nicht vermocht. Ihre Herkunft regte sich in ihr, selbst wenn sie nicht daran dachte.
    Gott segne dich, meine Kristin - und Gott steh mir bei; die Treue, die ich dir im geheimen und vor der Kirchentür gelobte, die will ich halten, oder ich will kein Mann sein. So ist es.
    Bei Yrjar dann brachte er Frau Sunniva an Land, sie hatte Verwandte dort. Das beste war, daß sie doch auch nicht zu sehr erzürnt schien, als sie sich trennten. Er hatte es nicht nötig gehabt, den Kopf zu senken und wie ein Mönch vor sich hin zu starren - sie hatten noch viel Spaß und Kurzweil gehabt. Zum Abschied schenkte er der Frau einige kostbare Felle zu einem Umhang, und sie versprach, daß er sie darin sehen dürfe. Sie würden einander doch wohl da und dort wieder einmal begegnen. Die Ärmste, der Mann, den sie hatte, war nicht jung und dazu etwas kränklich. Erlend aber fühlte sich glücklich, weil er zu seiner Frau heimkam und nichts vor ihr zu verbergen brauchte, und er empfand Stolz über seine eigene erprobte Standhaftigkeit. Und er war ganz wirr und toll vor Sehnsucht nach Kristin; sie war doch die süßeste und schönste Rose und Lilie - und sie gehörte ihm!
    Kristin war unten am Fjord, um Erlend zu empfangen, als er bei

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