Kristin Lavranstochter 1
ist wohl frei.“
Gunnulv antwortete:
„Alles, was ein Mann besitzt, hält ihn fester, als er es hält.“ „Hm. Ach nein, Teufel noch einmal. Zugegeben, daß Kristin mich hält - aber meine Güter und die Kinder, die sollen mich nicht besitzen.“
„Denke nicht so, Bruder“, meinte Gunnulv leise. „Denn da kann es leicht geschehen, daß du sie verlierst.“
„Nein, ich will nicht so werden wie die anderen Männer - die stehen bis ans Kinn in ihrer Erde“, sagte Erlend lächelnd, und auch der Bruder lächelte ein wenig.
„Schönere Kinder als Ivar und Skule sah ich niemals“, sagte Gunnulv. „Ich glaube, du sahst in dem Alter so aus -es ist nicht verwunderlich, daß unsere Mutter dich so sehr liebte.“
Beide Brüder hatten eine Hand auf das Schreibbrett zwischen ihnen gelegt. Selbst in dem schwachen Licht der Tranlampe sah man, wie ungleich die Hände dieser beiden Männer waren. Die des Mönchs, nackt und ohne Ringe, weiß und fest, kleiner und viel gedrungener als die des anderen, sah trotzdem viel stärker aus - obwohl Erlends Faust jetzt in der Handfläche wie Horn war und eine blauweiße Narbe von einem Pfeilschuß die dunkle Haut vom Handgelenk bis in den Ärmel hinein zeichnete. Aber die Finger an Erlends schmaler braungegerbter Hand waren mager und in den Gelenken knorrig wie Äste und mit goldenen Ringen und Steinen dicht besetzt.
Erlend fühlte Lust, die Hand seines Bruders zu ergreifen, aber er schämte sich - so trank er ihm nur zu und verzog den Mund über das schlechte Bier.
„Es dünkt dich also, daß Kristin jetzt wieder ganz frisch und gesund ist?“ fragte Erlend wieder.
„Ja, als ich im Sommer auf Husaby war, blühte sie wie eine Rose“, antwortete der Mönch und lächelte ein wenig. Er wartete eine Weile, dann sagte er ernsthaft: „Um eines will ich dich bitten, Bruder - denk ein wenig mehr an Kristins und deiner Kinder Wohl, als du bisher getan hast. Und laß dich von ihr beraten und füge dich den Entscheidungen, die sie und Eiliv beschlossen haben; sie warten nur auf dein Einverständnis.“
„Ich bin ja mit diesen ihren Plänen, von denen du sprichst, nicht recht einverstanden“, sagte Erlend zögernd. „Und jetzt wird doch wohl auch meine Stellung anders.“
„Deine Besitztümer erhalten mehr Wert, wenn du die Güter besser vereinst“, antwortete der Mönch. „Mich dünkten Kristins Ratschläge verständig, als sie sie vorbrachte.“
„Es gibt wohl auch in Norwegens Landen keine Frau, die unbeschränkter herrscht als sie“, sagte Erlend.
„Schließlich bist doch du es, der befiehlt“, erwiderte Gunnulv wiederum. „Und du - du herrschest ja auch über Kristin, wie du willst“, sagte er mit seltsam schwacher Stimme.
Erlend lachte hinten im Hals, dehnte sich und gähnte. Dann sagte er plötzlich ernsthaft:
„Du hast nun auch über sie geherrscht, mein Bruder. Und es ist nicht ganz sicher, daß deine Ratschläge nicht bisweilen unserer Freundschaft in die Quere gekommen sind.“
„Meinst du die Freundschaft zwischen dir und deinem Weib oder die Freundschaft zwischen uns Brüdern?“ fragte der Mönch langsam.
„Beides“, antwortete Erlend, als sei dies ein Gedanke, der ihm erst jetzt kam. „So arg fromm braucht doch wohl eine Laienfrau nicht zu sein“, sagte er leichter.
„Ich habe sie beraten, wie ich es für das beste hielt. - Wie es das beste ist“, berichtigte Gunnulv sich selbst.
Erlend betrachtete den Mönch in der groben grauweißen Kutte der Prädikantenbrüder, mit der zurückgeschlagenen schwarzen Kapuze, die in dicken Falten rund um den Hals hinten über den Schultern lag. Der Schädel war so geschoren, daß jetzt nur noch ein schmaler Haarkranz um das runde, magere und bleiche Gesicht stand - aber das Haar war noch ebenso dicht und schwarz wie in Gunnulvs jungen Tagen.
„Ja, du bist ja jetzt nicht mein Bruder, nicht mehr als jedermanns Bruder“, sagte Erlend und wunderte sich selbst über die tiefe Bitterkeit in seiner eigenen Stimme.
„So ist es nicht - obgleich es so sein müßte.“
„Dann helfe mir Gott - ich glaube fast, das ist der Grund dafür, weshalb du zu den Lappen gehen willst!“ sagte Erlend.
Gunnulv beugte den Kopf. Es glühte in seinen gelbbraunen Augen.
„In gewissem Sinn ist dies auch der Grund“, sagte er leise und rasch.
Sie breiteten die Felle und Decken aus. die sie mitgebracht hatten. Es war jedoch zu kalt und zu feucht im Raume, als daß sie sich hätten ausziehen können, so wünschten sie
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