Kristin Lavranstochter 1
Birgsi anlegte. Fischer hatten die Botschaft nach Vigg gebracht, daß Margygren draußen bei Yrjar gesehen worden war. Kristin hatte ihre beiden ältesten Söhne und Margret bei sich, und daheim auf Husaby war alles zu dem Gastgelage für die Freunde und Verwandten vorbereitet, mit denen Erlends Heimkunft gefeiert werden sollte.
Kristin war so schön geworden, daß Erlend bei ihrem Anblick der Atem stockte. Aber sie war doch verändert. Das Mädchenhafte, das auch nach jedem überstandenen Kindbett immer noch über ihr gelegen hatte - das Zarte und Schwächliche, Nonnenhafte unter der Frauenhaube -, das war nun verschwunden. Sie war eine junge, blühende Frau und Mutter. Ihre Wangen leuchteten rund und frisch zwischen den weißen Enden des Kopflinnens, die Brust war hoch und fest unter den Ketten und Schließen, die darauf blitzten. Die Hüften rundeten sich breiter und weicher unter dem Schlüsselgürtel und der vergoldeten Scheide mit Schere und Messer. Ja, ja, sie war nur schöner geworden - sie sah nicht mehr aus, als könnte man sie ihm so leicht zum Himmel entführen wie früher. Selbst die großen, schmalen Hände waren voller und weißer geworden.
Die Nacht über schliefen sie auf Vigg, im Haus des Abtes dort. Und es war eine junge, rosenrote und frohe Kristin, sanft und schwach vor Glück, die diesmal mit ihm zu dem Gastgelage auf Husaby ritt, als sie am nächsten Tage heimwärts zogen.
Es gab so viele ernsthafte Dinge, über die sie mit ihrem Gatten nach seiner Heimkunft hätte sprechen sollen. Es waren tausend Dinge wegen ihrer Kinder, Sorgen um Margret, und da waren ihre Pläne, wie sie die Güter wieder in die Höhe bringen wollte. Aber dies alles trat im Rausch der Feste zurück.
Sie zogen von einem Gastgelage zum anderen, und Kristin begleitete ihn, wenn er als Vogt umherritt. Erlend hielt jetzt noch mehr Leute auf Husaby, Boten und Briefe kamen und gingen zwischen ihm und seinen Beauftragten und Vertrauensleuten. Erlend war stets munter und ausgelassen, sollte er etwa nicht zum Vogt taugen - er, der mit seinem Schädel schon bald gegen jedes Landesgesetz und Christenrecht angerannt war? Solches war gut erlernt und nicht leicht vergessen. Einen leichten und raschen Geist besaß der Mann, und er hatte in der Jugend einen guten Unterricht genossen. Jetzt kam dies bei ihm wieder zur Geltung. Er gewöhnte sich daran, Briefe selbst zu lesen, und hatte einen Isländer als Schreiber angestellt. Früher hatte Erlend sein Siegel unter alles gesetzt, was andere ihm vorgelesen hatten, und hatte nur ungern eine Zeile Geschriebenes angesehen -das hatte Kristin in diesen zwei Jahren erfahren müssen, in denen sie mit allem vertraut geworden war, was sich in seinen Brieftruhen befand.
Jetzt kam ein Leichtsinn über sie, wie sie ihn nie zuvor ge-
kannt hatte. Sie wurde lebhafter und war weniger still, wenn sie sich unter Leuten befand - denn sie fühlte, daß sie jetzt sehr schön war, und sie war nun zum ersten Male seit ihrer Heirat ganz gesund und frisch. Und am Abend, wenn sie und Erlend zusammen in einem fremden Bett im Dachraum auf einem der großen Höfe oder in einer Bauernstube lagen, lachten und flüsterten und scherzten sie über die Leute, denen sie begegnet waren, und über die Neuigkeiten, die sie erfahren hatten. Erlends Reden waren lockerer denn je, und die Leute schienen ihn besser leiden zu können denn je zuvor.
Sie sah dies an ihren eigenen Kindern - die waren wie hingerissen vor Entzücken, wenn der Vater sich dann und wann mit ihnen abgab. Naakkve und Björgulv spielten jetzt nur noch mit Bogen, Speeren und Äxten. Da konnte es geschehen, daß der Vater in seinem Gang über den Hofplatz innehielt, ihnen zusah und sie anwies: „Nicht so, mein Sohn - so mußt du es halten“, er schob den Griff der kleinen Faust zurecht und brachte die Finger in die richtige Stellung. Dann waren die Kinder ganz außer sich vor Eifer.
Die beiden ältesten Söhne waren unzertrennlich. Björgulv war der größte und stärkste von allen, er war ebenso groß wie Naakkve, der eineinhalb Jahre älter war und dicker. Er hatte stark gekraustes tiefschwarzes Haar, das kleine Gesicht war breit, aber schön, die Augen blauschwarz. Eines Tages fragte Erlend die Mutter besorgt, ob sie wisse, daß Björgulv auf dem einen Auge nicht gut sehe - er schiele auch ein ganz klein wenig. Kristin glaubte nicht, daß dies etwas auf sich habe, es würde sich wohl noch geben. Es war so gekommen, daß sie sich dieses Kindes stets am
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