Kristin Lavranstochter 1
ich dein von Gott angetrautes Weib war, das man dir an die Seite gelegt hatte, sondern jenes Weib, das du ersehnt und erkämpft hattest. Da hättest du nicht so zu mir sein können, als seien jene Worte ungesagt gewesen.“
Lavrans dachte nach.
„Nein. Das - hätte ich wohl nicht gekonnt. Nein.“
„Hättest du die gleiche Freude empfunden über deine Verlobte wie Simon über unsere Kristin?“
Lavrans gab keine Antwort. Nach einer Weile sagte er, wie gegen seinen Willen, leise und furchtsam:
„Warum nanntest du Simon?“
„Mit dem anderen konnte ich dich doch wohl nicht vergleichen“, erwiderte Ragnfrid verwirrt und selbst erschrocken, aber sie versuchte zu lächeln. „Ihr seid einander doch allzu ungleich.“
Lavrans erhob sich, ging ein paar Schritte vor, unruhig - dann sagte er noch leiser:
„Gott wird Simon nicht verraten.“
„Dünkte dich niemals“, sagte Ragnfrid, „daß Gott dich verraten habe?“
„Nein.“
„Was dachtest du in jener Nacht, als wir dort in dem Schuppen saßen - als du in einem Augenblick erfuhrst, daß wir, die du beide am meisten und am getreuesten geliebt hattest, daß wir beide dich so sehr verraten hatten, wie wir nur vermochten?“
„Ich dachte wohl nicht viel“, entgegnete der Mann.
„Und später“, fuhr sein Weib fort, „wenn du immer daran dachtest - wie du sagtest?“
Lavrans wandte sich von ihr ab. Sie sah, wie eine dunkle Röte über seinen sonnverbrannten Hals hinunterfloß.
„Ich dachte daran, wie oft ich Christus verraten hatte“, sagte er sehr leise.
Ragnfrid erhob sich - stand eine Weile da, ehe sie wagte, zu ihm hinzugehen und ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Als er sie umfaßte, neigte sie die Stirn auf seine Brust hinab; er fühlte, daß sie weinte. Lavrans zog sie dichter an sich heran und lehnte sein Gesicht auf ihren Kopf.
„Jetzt, Ragnfrid, wollen wir schlafen gehen“, sagte er nach einer Weile.
Miteinander traten sie vor das Kruzifix, verneigten sich und machten das Zeichen des Kreuzes. Lavrans sprach die Abendgebete, er sprach sie in der Kirchensprache, leise und klar, und sein Weib wiederholte die Worte nach ihm.
Dann entkleideten sie sich. Ragnfrid legte sich auf die innere Seite des Bettes, das jetzt ein viel niedrigeres Kopfpolster hatte, weil ihr Mann in der letzten Zeit oft von Schwindel geplagt war. Lavrans verschloß die Türe mit Bolzen und Riegel, scharrte Asche über die Glut auf der Feuerstätte, blies das Licht aus und legte sich zu Ragnfrid ins Bett. Im Dunkel lagen sie da, und ihre Arme berührten sich. Nach einer Weile verflochten sie ihre Finger ineinander.
Ragnfrid Ivarstochter dachte - dies sei wie eine neue Brautnacht, und eine seltsame Brautnacht. Glück und Unglück flossen zusammen und trugen sie auf so heftigen Wogen dahin, daß sie fühlte, wie ihre Seele nun die ersten Wurzeln aus dem Körper zu lösen begann; jetzt hatte die Hand des Todes auch sie gestreift - zum ersten Male.
So mußte es gehen - wenn es so angefangen hatte wie mit ihnen. Sie entsann sich des ersten Males, da sie ihren Verlobten sah. Da war er freundlich zu ihr gewesen - ein wenig verlegen, aber doch bereit, seine Verlobte zu lieben. Selbst daß der junge Bursche so strahlend schön war, hatte sie aufgereizt, sein Haar, das so dicht und glatt und hell um das rote und weiße, mit goldenem Flaum bedeckte Gesicht hing. Ihr Herz war da eine einzige brennende Wunde bei dem Gedanken an einen Mann, der nicht schön und nicht jung war und nicht zart wie Milch und Blut, und sie verging vor Sehnsucht danach, von seinen Armen umschlossen zu werden und ihm dabei das Messer in die Kehle zu stoßen. Und das erstemal, als ihr Verlobter versucht hatte, sie zu liebkosen - sie saßen daheim auf einer Treppe, und er ergriff mit einer Hand ihre Zöpfe -, da fuhr sie auf, wandte sich ihm zu, weiß vor Zorn, und ließ ihn allein.
Oh, sie entsann sich jener nächtlichen Fahrt, als sie mit Trond und Tordis durch das Jerntal zu der Frau mit den Zauberkünsten auf Dovre ritt. Auf den Knien hatte sie gelegen, Ringe und Armbänder hatte sie sich, vor Frau Aashild auf dem Boden liegend, heruntergerissen, vergebens hatte sie darum gebettelt, ein Mittel zu erhalten, auf daß ihr Bräutigam bei ihr nicht seinen Willen bekommen könne. Sie entsann sich der langen Reise, mit dem Vater, den Verwandten, den Brautjungfern und den Gaben, die sie von daheim mitbrachte, durchs Tal hinunter, über das Unterland hin, zur Hochzeit auf Skog, und sie entsann sich der
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