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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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...“
    Kristin wurde von Schluchzen geschüttelt; da begann der Vater, sie wie ein kleines Kind in den Armen zu wiegen.
    „Gar viele Dinge verstand ich nicht, als ich jung war. Mein Vater liebte auch Aasmund, aber nicht so wie mich. Um meiner Mutter willen, verstehst du - er vergaß sie nie, aber er nahm dann Inga, weil sein Vater es wünschte. Jetzt wollte ich, ich könnte meiner Stiefmutter schon hier auf Erden begegnen und sie um Verzeihung bitten dafür, daß ich ihrer Güte nie geachtet habe.“
    „Du hast doch oft gesagt, Vater, deine Stiefmutter hätte dir weder Böses noch Gutes getan“, sagte Kristin unter Tränen.
    „Ja, Gott steh mir bei, ich wußte es nicht besser. Jetzt dünkt es mich eine große Sache, daß sie nicht ihren Haß auf mich warf und mir niemals ein böses Wort gab. Was würdest du dazu sagen, Kristin, wenn du sähest, daß der Stiefsohn stets und in allem und jedem deinem Sohn vorgezogen wird?“
    Kristin war etwas ruhiger geworden. Sie hatte jetzt den Kopf gewandt und richtete den Blick auf die Berge hinüber. Eine große blaue Wolkenwand unterhalb der Sonne verdunkelte den Himmel - einige goldene Strahlen stachen hindurch, es blitzte scharf vom Bach auf.
    Dann brach ihr Schluchzen von neuem los.
    „O Vater, mein Vater, soll ich Euch nie wieder im Leben sehen, dann ...“
    „Gott beschirme dich, Kristin, mein Kind, auf daß wir uns wiederfinden an jenem Tag, wir alle, die wir auf Erden Freunde waren - und jede Menschenseele... Christus und die Jungfrau Maria und Sankt Olav und Sankt Thomas werden dich im Leben beschützen.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küßte sie auf den Mund. „Gott sei dir gnädig,
    Gott leuchte dir im Lichte dieser Welt und in dem großen Lichte jenseits.“
    Einige Stunden später, als Lavrans Björgulvssohn von Hjerdkinn wegritt, ging die Tochter ein Stück weit an der Seite seines Pferdes. Der Knecht war schon ziemlich weit voraus, aber Lavrans ritt nur Schritt für Schritt weiter. Es tat so weh, ihr verweintes, verzweifeltes Gesicht zu sehen. So hatte sie auch in der Gaststube gesessen, die ganze Zeit, während er aß und mit ihren Kindern sprach, mit ihnen scherzte und eines nach dem anderen auf den Schoß nahm.
    Lavrans sagte leise:
    „Traure nicht mehr um das, was du um meinetwillen zu bereuen hast, Kristin. Aber erinnere dich daran, wenn deine Kinder heranwachsen und es dir vielleicht scheinen will, sie seien zu dir oder zu ihrem Vater nicht so, wie du es geziemend finden könntest. Und denke dann auch an das, was ich dir von meiner Jugend erzählte. Getreu ist deine Liebe zu ihnen, das weiß ich, aber du bist am widerspenstigsten, wenn du am meisten liebst, und Eigensinn wohnt in deinen Knaben, das habe ich gesehen“, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu.
    Schließlich bat Lavrans, sie solle nun umkehren und zurückgehen. „Ich möchte nicht, daß du allein so weit von den Häusern weggehst.“ Sie waren in eine Talsenke zwischen kleinen Hügeln gelangt, die unten von Birkenwald umsäumt waren und an deren Seiten sich Steingeröll emporzog.
    Kristin schmiegte sich an den Fuß des Vaters im Steigbügel. Sie streichelte mit den Fingern über seine Kleider und seine Hand und den Sattel und über Hals und Lenden des Pferdes, drückte den Kopf dahin und dorthin und weinte mit so tiefem, jammervollem Stöhnen, daß der Vater meinte, das Herz müsse ihm über ihren großen Kummer brechen.
    Er sprang vom Pferd und schloß die Tochter in seine Arme, hielt sie zum letztenmal umfaßt. Wieder und wieder machte er das Zeichen des Kreuzes über ihr und befahl sie in Gottes und der Heiligen Schutz. Schließlich sagte er, nun müsse sie ihn loslassen.
    Dann trennten sie sich. Aber als er ein Stück weit gekommen war, sah Kristin, daß der Vater den Schritt des Pferdes zurückhielt, und sie begriff, daß er weinte, wie er so von ihr wegritt.
    Sie lief in den Birkenwald hinein, eilte weiter und begann den vom Laube goldenen Steinhang des nächsten Hügels hinaufzuklettern. Aber die Felsbrocken waren groß, und es kostete Mühe, hinaufzugelangen, und der kleine Hügel war höher, als sie geglaubt hatte. Endlich erreichte sie den Gipfel, da aber war der Vater zwischen den Höhen verschwunden. Sie warf sich ins Beerenkraut, das auf der Kuppe wuchs, und da blieb sie weinend liegen, das Gesicht in den Armen verborgen.
    Lavrans Björgulvssohn kam spät am Abend nach Jörundhof heim. Es durchlief ihn ein gutes, warmes Gefühl, als er sah, daß in

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