Kristin Lavranstochter 1
wenig, wie schwer du zu tragen hattest, während wir zusammen lebten. Jetzt aber dünkt mich, ich hätte die ganze Zeit gefühlt, wie gut es tat, daß du bei mir warst.
Ich weiß nicht, ob du wirklich geglaubt hast, ich hätte unsere Kristin lieber als dich. Sie war meine höchste Freude, und sie bereitete mir den größten Kummer, das ist wahr. Aber du bist ihrer aller Mutter gewesen. Jetzt dünkt mich, es sei am schwersten, dich zu verlassen, wenn ich einmal fort muß.
Darum sollst du meinen Ring niemand geben - auch nicht einer von unseren Töchtern, sondern sollst sagen, daß man ihn dir nicht abnehmen darf.
Vielleicht dünkt dich, mein Weib, du habest bei mir mehr Kummer gehabt als Freude - verkehrt ging es mit uns in einer Weise, aber trotzdem dünkt es mich, wir seien getreue Freunde gewesen. Und ich habe gedacht, wir würden uns dereinst so wiederfinden, daß das Verkehrte uns nicht mehr trennt, sondern daß die Freundschaft, die uns verband, durch Gott aufs neue besser aufgebaut wird.“
Ragnfrid hob das bleiche, gefurchte Antlitz - es brannte in den großen eingesunkenen Augen, als sie zu ihrem Manne aufblickte. Er hielt immer noch ihre Hand - sie betrachtete sie, wie sie so in der seinen lag, ein wenig hochgehoben. Die drei Ringe glänzten nebeneinander - zuunterst der Verlobungsring, darüber der Trauring und zuletzt dieser neue.
Es erschien ihr so seltsam. Sie entsann sich des Augenblicks, da Lavrans ihr den ersten ansteckte - bei der Rauchlochstange in der Stube daheim auf Sundbu, ihre Väter standen bei ihnen. Lavrans war rot und weiß, mit runden Wangen, kaum der Kindheit entwachsen - ein wenig schüchtern, als er einen Schritt von Herrn Björgulvs Seite weg vortrat.
Den zweiten hatte er ihr vor der Kirchentüre in Gerdarud an den Finger gesteckt, im Namen des dreieinigen Gottes, unter der Hand des Priesters.
Sie fühlte, mit diesem letzten Ring hatte er sich ihr wiederum angetraut. Er wollte ihr die Gewißheit geben, wenn sie nun bald an seinem entseelten Leibe säße, daß er sie mit diesem Ring der starken und lebendigen Kraft verbunden hatte, die diesem Staub und dieser Asche innegewohnt.
Es war, als zerspringe ihr das Herz in der Brust, blute und blute, jung und heftig. Vor Trauer über die warme und lebendige Liebe, um die sie noch heimlich weinte, weil sie sie verloren hatte, vor angstvollem Glück über diese bleiche, leuchtende Liebe, von der sie bis an die äußersten Grenzen des Erdenlebens gezogen wurde. Durch die kommende tiefste Dunkelheit verspürte sie den Schein einer anderen und milderen Sonne, verspürte den Duft der Blumen des Gartens am Ende der Welt.
Lavrans legte die Hand seines Weibes in ihren Schoß zurück und setzte sich auf die Bank, ein wenig von ihr entfernt, mit dem Rücken zum Tisch und einen Arm auf die Platte gestützt. Er sah Ragnfrid nicht an, sondern blickte ins Feuer.
Sie sagte, trotz allem still und ruhig, als sie das Wort wieder ergriff:
„Ich hätte nicht gedacht, mein Gemahl, daß du mich so liebhättest.“
„Doch“, antwortete er ebenso ruhig.
Sie saßen eine Weile schweigend. Ragnfrid nahm die Arbeit vom Schoß und legte sie neben sich auf die Bank. Nach einer Weile fragte sie leise:
„Was ich dir in jener Nacht saate - hast du es vergessen?“
„Vergessen kann ein Mann in dieser Welt solches wohl nicht. Und es ist wahr, ich habe selbst gefühlt, daß es nicht besser wurde zwischen uns, nachdem ich dies erfahren hatte. Obgleich Gott allein weiß, Ragnfrid, wie hart ich kämpfte, damit du nie' merken solltest, daß ich soviel daran dachte.“
„Ich wußte nicht, daß du soviel daran dachtest.“
Er wandte sich jäh ihr zu und sah sie an.
Da sagte Ragnfrid:
„Meine Schuld ist es, daß es schlimmer wurde zwischen uns, Lavrans. Mich dünkte, konntest du genauso zu mir sein wie zuvor - nach jener Nacht -, so mußtest du dir noch weniger aus mir gemacht haben, als ich gedacht hatte. Wärst du mir nach diesem ein harter Mann gewesen, hättest du mich geschlagen, und wenn auch nur ein einziges Mal im Rausch, so hätte ich meinen Kummer und meine Reue besser ertragen können. Aber daß du es so leicht nahmst...“
„Hast du geglaubt, ich nähme es leicht?“
Das schwache Beben in seiner Stimme machte sie wild vor Sehnsucht. Sie wollte sich in ihn hineinstürzen, bis auf den Grund jener bewegten Tiefe, die seine Stimme gespannt und angestrengt erzittern ließ. Sie flammte auf.
„Ja, hättest du mich ein einziges Mal umarmt, nicht, weil
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