Kristin Lavranstochter 1
der Feuerstube noch Leute auf waren - es flackerte schwach von dem Feuerschein hinter den winzigen Glasscheiben, die auf den Rundgang hinaussahen. In diesem Haus hatte er sich stets am heimischsten gefühlt.
Ragnfrid saß allein drinnen, mit einer großen Näharbeit vor sich auf dem Tisch - neben ihr stand ein Talglicht in einem Messinghalter. Sie erhob sich sogleich, begrüßte ihn, legte mehr Holz aufs Feuer und ging selbst, um Essen und Trinken zu holen. Nein, sie hätte die Mägde längst zur Ruhe geschickt -sie hätten einen harten Tag gehabt, dafür sei aber jetzt auch das Gerstenbrot für die ganze Zeit bis Weihnachten gebacken. Paal und Gunstein seien im Gebirge, um Flechten heimzuholen. Da sie gerade von Flechten sprächen: wolle Lavrans sein Wintergewand aus dem Webstück haben, das mit Flechte, oder aus dem anderen, das mit Heidekraut gefärbt sei? Orm in Moar sei heute morgen hiergewesen und habe gefragt, ob er einige Lederseile kaufen könne. Sie habe die Seile genommen, die zuvorderst im Schuppen gehangen hätten, und habe gesagt, er könne sie geschenkt bekommen. Ja, mit seiner Tochter gehe es ein wenig besser - die Wunde am Bein heile jetzt schön zu.
Lavrans antwortete und nickte, während er und der Knecht aßen und tranken. Aber der Hausvater war rasch mit dem Essen fertig. Er stand auf, wischte das Messer hinten an seiner Hose ab und nahm ein Knäuel in die Hand, das bei Ragnfrids Platz lag. Der Faden war auf eine Spule gewickelt, deren Enden in der Form eines Vogels geschnitzt waren - an dem einen war ein Stückchen vom Schwanze abgebrochen. Lavrans glättete die Bruchstelle, schnitzte ein wenig daran herum, so daß das Tier nun einen kurzen Schwanz hatte. Vor langer Zeit einmal hatte er seiner Frau eine ganze Reihe solcher Fadenspulen gemacht.
„Willst du das selbst machen?“ fragte er und betrachtete ihre Arbeit. Sie hatte ein Paar seiner ledernen Hosen auf den Knien;
Ragnfrid setzte etliche Flecke an den Beinen auf, innen, wo sie vom Sattel abgewetzt waren. „Das ist eine harte Arbeit für deine Finger, Ragnfrid.“
„Oh!“ Ragnfrid legte die Lederstücke aufeinander und stach mit der Ahle Löcher hindurch.
Der Knecht wünschte gute Nacht und ging hinaus. Mann und Frau waren allein. Er stand an der Feuerstätte und wärmte sich, den einen Fuß auf den Rand gestützt und mit einer Hand die Rauchlochstange umfassend. Ragnfrid sah zu ihm hinüber. Da wurde sie gewahr, daß er den kleinen Ring mit den Rubinen - den Brautring seiner Mutter - nicht trug. Er sah, daß sie dies bemerkt hatte.
„Ja, ich gab ihn Kristin“, sagte er. „Er war ja immer für sie bestimmt gewesen - und ich dachte, sie könnte ihn ebensogut jetzt schon bekommen.“
Dann blickte eines das andere an - sie sollten sich jetzt wohl schlafen legen. Er aber blieb stehen wie zuvor, und sie saß bei ihrer Arbeit. Sie wechselten einige Worte über Kristins Reise, über diese und jene Arbeit, die es auf dem Hof gab, über Ramborg und über Simon, dann redeten sie wieder davon, daß sie sich wohl schlafen legen sollten - aber keines von ihnen rührte sich.
Da zog Lavrans den goldenen Ring mit dem blau und weißen Stein von seiner rechten Hand und trat zu seiner Frau. Scheu und verlegen ergriff er ihre Hand und schob ihr den Ring an den Finger - er mußte ein paarmal versuchen, ehe er den Finger fand, auf den der Ring paßte. Er kam auf dem Mittelfinger vor dem Trauring zu sitzen.
„Diesen sollst nun du haben, so will ich es“, sagte er leise und sah sie nicht an.
Ragnfrid saß lautlos still da - mit blutroten Wangen.
„Warum tust du das?“ flüsterte sie schließlich. „Glaubst du, ich gönnte unserer Tochter nicht ihren Ring?“
Lavrans schüttelte den Kopf und lächelte ein wenig.
„Ach, du verstehst wohl, weshalb ich das tue.“
„Du hast früher einmal gesagt, diesen Ring willst du mit ins Grab nehmen“, sagte sie wie vorher. „Den solle keiner nach dir tragen.“
„Darum sollst du ihn auch nie von deiner Hand nehmen, Ragnfrid - versprich mir das. Nach dir, so will ich es, soll ihn keiner mehr tragen.“
„Warum tust du das?“ fragte sie wiederum und hielt den Atem an.
Der Mann blickte ihr ins Gesicht.
„In diesem Frühjahr waren es vierunddreißig Jahre, seit wir zusammengegeben wurden. Ich war damals ein unmündiger Knabe - während der ganzen Zeit meines Mannestums standest du an meiner Seite, wenn ich Sorgen hatte und wenn es mir gut ging. Gott helfe mir, ich erfaßte nur allzu
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