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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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ersten Nacht - und aller späteren Nächte -, da sie die unbeholfenen Liebkosungen des Jungverheirateten Knaben entgegengenommen hatte, kalt wie Stein, ohne zu verbergen, wie wenig Freude sie daran fand.
    Nein, Gott hatte sie nicht betrogen. Barmherzig hatte er ihren Notschrei vernommen, als sie ihn anrief, während sie in ihrem Unglück immer tiefer und tiefer sank - selbst als sie ihn, ohne Glauben, erhört zu werden, anrief. Es war, als sei ein schwarzes Meer über sie hereingestürzt - jetzt trugen die Wogen sie einer so seltsamen und süßen Seligkeit entgegen, sie wußte, sie würden sie aus dem Leben hinaustragen.
    „Sprich mit mir, Lavrans“, bat sie leise. „Ich bin so müde...“
    Der Mann flüsterte:
    „Venite ad me, omnes qiü laborate et onerati estis. Ego reficiam vos*, hat der Herr gesagt.“
    Er schob einen Arm unter ihre Schulter, zog sie ganz dicht an sich heran. So lagen sie eine Weile, Wange an Wange. Dann sagte sie leise:
    „Jetzt habe ich zur Mutter Gottes gebetet, sie möge für mich bitten, daß ich nicht mehr lange nach dir zu leben brauche, Lavrans.“
    Seine Lippen und seine Wimpern streiften im Dunkeln ihre Wange so schwach wie Schmetterlingsflügel.
    „Meine Ragnfrid, meine Ragnfrid ..
    * (lat.) Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Matth, n, 28)

8
    Kristin lebte diesen Winter daheim auf Husaby und wollte nirgends hingehen - sie redete sich darauf hinaus, daß sie nicht gesund sei. Aber sie war nur müde. So müde war sie noch nie in ihrem Leben gewesen - sie war müde vom Lustigsein und müde vom Kummer und am müdesten vom Grübeln.
    Wenn sie das Kind, das sie erwartete, erst bekommen hätte, würde es besser werden, dachte sie - sie sehnte sich so entsetzlich danach; es war, als sollte es sie retten. Wenn es ein Sohn wurde und ihr Vater starb, noch ehe dieses Kind geboren wurde, so sollte es seinen Namen erhalten. Und sie dachte daran, wie sie es lieben und es an ihrer eigenen Brust nähren würde - es war jetzt so lange her, seit sie einen Säugling gehabt hatte, daß sie vor Sehnsucht weinen mußte, wenn sie sich ausdachte, wie sie nun bald wieder solch ein kleines Wesen im Arm halten würde.
    Sie sammelte ihre Söhne um sich wie früher und gab sich Mühe, ihnen ein wenig mehr Zucht und Sitte beizubringen. Sie fühlte, daß sie hierin nach dem Wunsch ihres Vaters handelte, und dies verlieh ihrer Seele gleichsam ein wenig Frieden. Sira Eiliv hatte jetzt begonnen, Naakkve und Björgulv im Schreiben und in der lateinischen Sprache zu unterweisen, und Kristin saß oft mit im Priesterhaus, wenn die Kinder dort zum Lernen waren. Aber sie waren nicht sehr lernbegierig, und alle waren unlenksam und wild, bis auf Gaute, so daß dieser auch weiterhin das Schoßkind der Mutter blieb, wie Erlend es nannte.
    Erlend war zu Allerheiligen von Dänemark heimgekehrt, sehr aufgeräumt. Seine Verwandte Frau Ingebjörg und der Herzog hatten ihn aufs ehrenvollste empfangen; sie hatten ihm herzlich für seine Gaben an Fellen und Silber gedankt, er war im Turnier mitgeritten und hatte Hirsche und Rehe gejagt, und als sie sich trennten, hatte Herr Knut ihm einen kohlschwarzen spanischen Hengst geschenkt, die hohe Frau jedoch hatte liebevolle Grüße und zwei silbergraue Windhunde für seine Gattin gesandt. Kristin fand diese ausländischen Hunde tückisch und treulos und befürchtete, sie könnten ihren Kindern Schaden zufügen. Und die Leute in den Gemeinden redeten viel über den kastilischen Hengst. Erlend sah gut aus auf dem hochbeinigen, leichtgebauten Pferd, aber solche Tiere paßten nicht in dieses Land, und Gott mochte wissen, wie der Hengst im Gebirge oben zurechtkommen würde. Indessen kaufte Erlend überall, wo ihn sein Amt hinführte, die prächtigsten schwarzen Stuten und besaß nun auf jeden Fall einen Stall, der schön anzusehen war. Im übrigen hatte Erlend Nikulaussohn angefangen, seinen Reitpferden feine und ausländische Namen zu geben: Belkolor und Bajard und ähnliche; dieser Hengst aber, sagte er, sei so schön, daß er keines solchen Schmuckes bedürfe - er hieß nur einfach Ruß.
    Erlend war sehr ärgerlich darüber, daß sein Weib ihn nirgendshin begleiten wollte. Krank schien sie nicht zu sein - sie fiel weder in Ohnmacht, noch erbrach sie sich diesmal, man sah ihr nicht einmal etwas an - und bleich und müde wurde sie wohl nur, weil sie ständig daheim saß und grübelte und über seinen Untaten brütete. Es war um die

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