Kristin Lavranstochter 1
Weihnachtszeit - es kam zu heftigen Zwistigkeiten zwischen ihnen. Und nun ging Erlend nicht mehr zu ihr und leistete Abbitte für seine Heftigkeit, wie er sonst immer getan hatte. Bis jetzt war er stets in dem Glauben gewesen, daß er die Schuld trage, wenn Uneinigkeit zwischen ihnen herrschte. Kristin war gut, sie hatte stets recht, und wenn er sich daheim nicht wohl fühlte und sich langweilte, so war seine Natur daran schuld, die eben so beschaffen war, daß er des Guten und Rechten müde wurde, wenn er allzuviel davon erhielt. In diesem Sommer jedoch hatte er mehr als einmal bemerkt, daß der Schwiegervater ihm recht gab und der Meinung zu sein schien, Kristin ließe es an hausfraulicher Sanftmut und Verträglichkeit fehlen. Da kam ihm der Gedanke, daß sie kleinlich übelnehmerisch war und ihm nur schwer geringe Sünden vergab, die von ihm nicht böse gemeint gewesen waren. Stets hatte er sie um Verzeihung gebeten, wenn er erst ein wenig Zeit zum Nachdenken gehabt hatte - und sie hatte geantwortet, sie vergebe ihm, danach aber hatte er sehen müssen, daß es zwar vergeben, aber nicht vergessen war.
So war er viel von daheim fort und nahm nun oft seine Tochter Margret mit sich. Die Erziehung dieses Kindes war stets eine Quelle der Uneinigkeit zwischen ihnen gewesen. Zwar sprach Kristin nie darüber, aber Erlend wußte sehr wohl, was sie - und andere Leute - meinten. Er hatte Margret in jeder Beziehung wie ein eheliches Kind gehalten, und die Leute nahmen sie, wenn sie den Vater und die Stiefmutter begleitete, so auf, als wäre sie ein solches. Auf Ramborgs Hochzeit war sie eine der Brautjungfern gewesen und hatte den goldenen Kranz auf ihrem offenen Haar getragen. Viele der Frauen sahen das nicht gern, aber Lavrans hatte mit ihnen geredet, und auch Simon hatte gesagt, keiner dürfe dies Erlend gegenüber erwähnen oder mit dem Mädchen darüber sprechen; das schöne Kind könne doch nichts dafür, daß es unter so unglücklichen Umständen zur Welt gekommen sei. Kristin merkte, daß Erlend den Plan hegte, Margret mit einem Mann aus guter Sippe zu vermählen, und daß er glaubte, es müsse ihm in der Stellung, die er nun innehatte, gelingen, diesen Plan durchzusetzen, obgleich das Mädchen, in Hurerei gezeugt, nur schwerlich in eine ganz sichere, unverrückbare Stellung gebracht werden konnte. Dies wäre vielleicht möglich gewesen, wenn die Leute das Vertrauen dazu gehabt hätten, daß Erlend seine Macht und seinen Reichtum zu bewahren und zu vermehren imstande wäre. Obwohl Erlend in einer Weise geliebt und geehrt wurde, setzte doch keiner ein volles Vertrauen darein, daß der Wohlstand auf Husaby erhalten bliebe. Darum befürchtete Kristin, er werde seine Pläne mit Margret nur schwer durchsetzen können. Und trotzdem sie Margret nicht sonderlich liebte, dauerte sie das Kind, und sie bangte vor dem Tag, da der Übermut des Mädchens vielleicht geknickt werden würde - wenn sie sich mit einer viel geringeren Heirat begnügen mußte, als sie durch ihren Vater zu erwarten gelernt, und mit ganz anderen Lebensumständen als jenen, in denen er sie erzogen hatte.
Gleich nach Lichtmeß kamen eines Tages drei Männer von Formo nach Husaby; sie waren mit Schneeschuhen über das Gebirge gegangen und brachten Erlend eine eilige Botschaft von Simon Andressohn. Simon schrieb, der Schwiegervater sei jetzt krank, und es stehe nicht zu erwarten, daß er noch lange leben würde; Lavrans lasse Erlend bitten, nach Sil zu kommen, wenn es ihm möglich sei; er wolle gern mit seinen beiden Schwiegersöhnen darüber reden, wie alles nach seinem Tode geordnet werden sollte.
Erlend blickte seine Gattin im geheimen an. Sie war jetzt schwerfällig geworden, sehr bleich und schmal im Gesicht - und sie sah so betrübt aus, jeden Augenblick wollten die Tränen hervorbrechen. Da bereute er sein Wesen gegen sie in diesem Winter; die Krankheit des Vaters kam für sie nicht unerwartet, und wenn sie solch einen heimlichen Kummer mit sich herumtrug, so mußte er ihr verzeihen, daß sie unvernünftig gewesen war.
Wenn er allein auf Schneeschuhen übers Gebirge ging, konnte er diesen Weg nach Sil ziemlich rasch zurücklegen, sollte er aber sein Weib mitnehmen, dann würde es eine lange und beschwerliche Reise werden. Und dann mußte er warten, bis die Waffenthinge in der Fastenzeit vorüber waren, mußte erst seine Lehensmänner einberufen; auch gab es noch einige Versammlungen und Thinge, bei denen er selbst anwesend sein mußte. Bis sie dann
Weitere Kostenlose Bücher